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Michael schrieb am 9.10. 2008 um 14:20:59 Uhr über

Abhärtung

Allen Zweiflern dieses Forums sei gesagt: Den Jungen, der in kurzen Lederhosen rodelte, gab es wirklich - meinen Schulfreund Wolf ...ski. Er stammte aus einer guten Mittelklassefamilie, hatte einen wenig älteren Bruder und sehr autoritäre Eltern. Sein Vater vertrat die Ansicht Jungen sollten nur im Winter lange Hosen tragen dürfen, und der Winter dauere nun einmal nicht mehr als drei Monate. Den Winteranfang legte er allerdings nicht auf das kalendarische Datum sonder auf den 1. Dezember, und das bedeutete, dass die Jungen ab 1. März wieder kurze Hosen trugen. Wolf war aber stolz darauf zu den aller ersten und allerletzten Jungen in kurzen Lederhosen zu gehören. Er war ein Raubein, ein Raufbold, für jeden Unfug zu haben, aber auch ein verlässlicher Kumpel.

Anfang März war noch einmal Schnee gefallen. Wir wollten rodeln, er kam trotz der Kälte mit nackten Beinen. Unser Rodelberg, eine steile, im Winter für Autos unbefahrbare Straße, hatte nur auf einer Seite einen Gehweg. Manche Anwohner der andern Seite streuten sich einen Übergang, der die Schlitten abbremste, aber die meisten hatten Verständnis für die Kinder und ließen es. Vor einem Haus war ein aus Asche besonders dick gestreuter Überweg, der die Schlitten zum Stand brachte. Wolf: „Hol´ einen Besen, wir können es abends wieder zurückfegen.“ Gesagt, getan. Der Besen blieb an den Gartenzaun gelehnt. Eine Frau keifte aus dem Fenster. Uns kümmerte das nicht. Bei der nächsten Abfahrt war aber frisch gestreut. Der Schlitten stoppte auf der Asche. Ein Mann ergriff ihn, packte auch mich am Schopf. „Mitkommen, alle beide!“ Er sperrte uns in einen eiskalten Schuppen. Wolf fror nun wirklich und massierte seine Schenkel. Die Zeit verging, es dunkelte. Wann würde er uns laufen lassen?

Endlich hörten wir Stimmen. „Du, das sind unsere Väter!“ Sie waren es, beide. Es ging um Anzeige oder Prügel auf der Stelle. Wolfs Vater ließ sich auf nichts ein: „Das wird zu Hause erledigt. Ich verspreche, dass der Bengel morgen nicht sitzen kann! Kommt mit.“
Das erste Stück Heimweg war gemeinsam. Die Väter konstatierten einen Lausbubenstreich, der keinebesonderenMaßnahmen erforderte. Wolf würde gewaltig den Arsch voll kriegen. Und ich? Beratung der Eltern im Wohnzimmer. Sie dauerte ziemlich lange und das machte mir Angst. Ich wurde gerufen: „Zieh´ dich um!“, hieß es. Ich entledigte mich der Hosen und brachte den Rohrstock mit, der immer in meinem Zimmer stand. „Umziehen hab´ ich gesagt!“ Mein Vater grinste komisch. Ich verstand nicht. „Na so wie dein Freund!“ – „Lederhosen?“ – „Was sonst!“ Begeistert wollte ich Papa um den Hals fallen. „Wart ab. Erst mal über die Sofalehne!“ Er brannte mir zehn heftige Hiebe über den nackten Hintern. Ich jaulte laut bei jedem Treffer. Er schonte mich nicht. Aber die Strafe war verdient, fand ich.

Am nächsten Morgen kam ich mit blauroten, halberstarrten Beinen zur Schule und genoss die Bewunderung meiner Kameraden. Am Nachmittag war das Wetter umgeschlagen. Es regnete, und aus meinem ersten Rodelnachmittag in Lederhosen wurde nichts.
Von nun an durfte ich selbst entscheiden ab wann und wie lange ich kurze Hosen anziehen wollte.



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