Geschichte

Es gibt zwei klassische Geschichtsauffassungen: die Aristotelische und die Platonische. Plato entwarf das Bild einer »historischen Entwicklung« aus dem Urschleim und einer Ur-gesellschaft heraus über diverse Zwischenstufen bis zur Zivilisation der Antike und projizierte vor unsere Augen das Bild eines sich weiter entwickelnden Fortschritts bis hin zur Annäherung an ein Ideal vom Menschen. Eine durchaus optimistische Auffassung - die von Aristoteles dagegen kann man pessimistisch nennen: Aristoteles leugnet, daß es soetwas wie einen historischen Fortschritt gäbe - vielmehr drehten sich die 3 Regierungsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie in einer unendlichen Folge im Kreis, in Bewegung gehalten durch die Degeneration der jeweils Herrschenden, die mehr oder weniger blutige Systemwechsel verursacht.

Diese beiden Auffassungen haben tiefgreifende Konsequenzen für das Verhältnis zwischen dem einzelnen Menschen einerseits und der Gesellschaft und dem Staat andererseits. So folgt aus der Platonischen Fortschrittsgewissheit die Legitimation, den Einzelnen und sein Eigentum im Dienste dieses Fortschritts in Anspruch zu nehmen, ihm Beschränkungen aufzuerlegen, ja sogar seinen Tod einzufordern - normalerweise den Heldentod auf dem Schlachtfeld. Genau diese Legitimation geht Staat und Gesellschaft im aristotelischen Sinne ab. Ihr Handeln ist sinnlos - absurd, und der Wechsel der Regierungssysteme gleicht dem sich blutig drehenden Rad fernöstlicher Gedankensysteme. Die Konsequenz hat Epikur mit seinem: »late biosas« - dem Leben im Verborgenen - gezogen: sich der Inanspruchnahme durch Staat und Gesellschaft nach Möglichkeit zu entziehen. Das hat wenig mit dem zu tun, was man heute mit dem Namen Epikurs verbindet: hedonistische Schlemmereien - sondern vielmehr mit: Anarchie.