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stopthewar schrieb am 15.2. 2003 um 10:27:20 Uhr über

Krieg


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14.02.2003



Elmar Altvater

Die Währung des schwarzen
Goldes









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DER ÖLKRIEGEr wird auch um die Vorherrschaft
von Dollar und Euro geführt

Die USA würden die von Bush und den anderen Falken
angedrohte gewaltsame »Abrüstung« des Irak auch allein
schaffen, sie wissen aber, dass sie mit ihrer Aggression das
Völkerrecht, die UN-Charta und die Menschenrechte verletzen.
Also wird das »neue Europa« ins Boot geholt, so sind es viele
Regierungen, die sich des Rechtsbruchs schuldig machen und -
wie geflissentliche Advokaten kund tun - auf diese infame Weise
»neues Völkerrecht« schöpfen. Der Rechtsbruch im Kollektiv
verschafft Erleichterung, Legitimation - und Belohnung.

Bush hat mit Blick auf Russland zum Ausdruck gebracht, dass er
dessen »Interessen da unten« verstanden habe. Der
republikanische Senator Richard Lugar ließ mitteilen, Frankreich
und Russland müssten sich an einem Angriff auf den Irak
beteiligen, wollten sie von irakischem Öl profitieren. Die Türkei
darf Teile des Nordirak besetzen, um einen Kurdenstaat zu
verhindern und die Hand nach Mosul und Kirkuk, wo die
nordirakischen Ölfelder liegen, auszustrecken.

Das Fell des Bären wird schamlos wie in einer Räuberbande
verteilt, bevor der Bär erlegt worden ist. Es geht um das schwarze
Gold - doch ist die Strategie so simpel, die irakischen Ölfelder zu
besetzen, unter den Interessenten aufzuteilen und leer zu
pumpen? Wohl kaum. Denn dann würde es wahrscheinlich lange
dauern, bis die Kosten des Krieges, die auf bis zu 1.000
Milliarden Dollar geschätzt werden, hereinkämen und die diversen
Interessen der »Alliierten« befriedigt wären. Dann müssten bei
einem unterstellten Preis pro Barrel Öl von 30 Dollar 33 Milliarden
Barrel verkauft werden - dabei sind die Förder- und
Transportkosten wie auch der Profit noch gar nicht berücksichtigt.

Ein hoher Preis, zumal die indirekten Effekte eines Kriegs gar
nicht kalkuliert werden können. Was ist mit den zivilen Opfern?
Sind das nur bedauernswerte »Kollateralschäden« oder
verschaffen die sich nicht vielleicht durch Sabotage auch im
schnöde ökonomischen Machtkalkül Geltung? Wird eine neue
Generation von »Terroristen« genährt, wie
Ex-NATO-Oberbefehlshaber Clark befürchtet? Der Griff nach dem
schwarzen Gold des Irak führt in eine schwarze Zukunft. Noch
werden diese Fragen ausgeklammert, denn sie stellen die
Rationalität des kriegerischen Zugriffs auf das Öl des Nahen und
Mittleren Ostens sowie Zentralasiens in Frage.

Die schönen Zeiten sind vorüber

Wer die Ölreserven beherrscht, hat viele Trümpfe in der Hand.
Die Rate der Erschöpfung bekannter Felder liegt seit den
neunziger Jahren höher als die Rate neu erschlossener
Ressourcen. Die Ausbeutung beträgt derzeit etwa 22 Milliarden
Barrel pro Jahr, es werden aber im Durchschnitt nur sechs
Milliarden pro Jahr neu erkundet. Der Höhepunkt der globalen
Ölproduktion ist überschritten; die schönen Zeiten, in denen die
Funde neuer Lagerstätten größer waren als die Ausbeute, sind
vorüber - sie kommen niemals wieder, wie Geologen bestätigen.

Der Krieg gegen das Taleban-Regime in Afghanistan bot den
USA die Gelegenheit, militärisch auch in den zentralasiatischen
Ländern Fuß zu fassen, nahe an den neuen Ölquellen und in
Ländern, durch die Pipelines verlaufen werden, wenn sie denn
erst gebaut sind. Außerdem wird Zentralasien geopolitisch aus
dem Einflussbereich Russlands und Chinas, aber auch Indiens
herausgehalten. Die westeuropäischen Partner Amerikas dürfen
in Afghanistan für Frieden sorgen, aber die Stützpunkte in
Usbekistan, Kirgisien, Kasachstan oder Turkmenistan halten die
USA allein. Es ist, als ob das Sassanidenreich, das sich vor
1.500 Jahren vom Zweistromland bis zum Hindukusch dehnte,
unter transatlantischer Führung, von Washington gelenkt, neu
erstehen sollte.

Gerade angesichts steigender Nachfrage nach dem schwarzen
Stoff, da Länder wie China oder Indien bei der Industrialisierung
nachziehen wollen, ist die Herrschaft über Ölproduktion und
Ölmarkt entscheidend. Wer meint, bei der Versorgung mit diesem
Treibstoff der Industriegesellschaften würden Marktgesetze mit
»unsichtbarer Hand« wirken, ist blind für die sehr sichtbare Hand
der politischen und militärischen Macht. Es geht um die
Herrschaft über die bekannten Reserven und den Zugang zu den
vermuteten - um die Fähigkeit, den Ölpreis zu beeinflussen und
die Währung, in der er fakturiert wird.

Die Herrschaft über alte und neu hinzu kommende Reserven
ergibt nur dann einen Sinn, wenn sich auch die Preisbildung
kontrollieren lässt. Zunächst kann die OPEC vergessen werden,
wenn die USA als das größte Öl-Verbrauchsland am Preishebel
sitzen und nicht mehr die Förderländer und ihr Kartell. Der Ölpreis
wird sicherlich nicht nach ökologischen Kriterien gestaltet, um die
Produktion und Konsumtion vom Öl unabhängiger zu machen und
alternative Energien zu fördern.

Der Preis des Öls kann nach oben geführt werden, um die
Ausbeutung nicht-konventioneller Ölreserven, vom Ölsand und
Ölschiefer bis zum Öl aus der Tiefsee und zu Gaskondensaten,
rentabel zu gestalten. Ein hoher Ölpreis könnte auch
Voraussetzung für die Rentabilität jener Fördergebiete sein, die
hohe Transportskosten aufweisen (Pipelines vom Kaspischen
Meer zu Häfen am Golf, am Mittelmeer oder Indischen Ozean).
Nicht nur wegen der größeren Knappheit des Öls steigt der Preis,
auch aus geostrategischen Gründen.

Für die USA wäre ein steigender Ölpreis nicht nur nachteilig.
Teures Öl würde China und Japan und andere Konkurrenten
treffen. Auch das »alte« ebenso wie das »neue« Europa würden
Nachteile haben, so lange das Öl in Dollar fakturiert wird. Die
Kontrolle über einen großen Teils des Angebots auf den globalen
Ölmärkten durch die USA würde dafür sorgen, dass die
Ölrechnungen auch in Zukunft in Dollar ausgestellt werden -
möglicherweise ein entscheidendes Motiv, um den Irak mit
brutaler Konsequenz zu unterwerfen.

Der Super-Gau für Bush

Für die USA ist dies ein Märchen aus tausendundeiner Nacht,
denn sie würden den Lebenssaft ihrer Ökonomie fast umsonst
bekommen. Die Druckerei der Federal Reserve verwandelte sich
in eine sprudelnde Ölquelle. Dollars könnten in jeder gewünschten
Menge »gedruckt« werden, um das Öl zu importieren. Die
goldenen Zeiten des »twin-deficits«, die der US-Mittelklasse
einen Konsumrausch in den Neunzigern bescherten, ließen sich
fortsetzen. Das Öl wäre sozusagen der Wertanker des Dollars,
eine multifunktionale Waffe in der Währungskonkurrenz, vor allem
mit dem Euro.

Allerdings kann diese Strategie einer Inflationierung der
Weltwirtschaft auch scheitern. Die großen Ölfirmen würden zwar
mitspielen, denn es käme ihnen durchaus zupass, würden
Ansprüche an die seit 1972 verstaatlichten und nach einem Krieg
reprivatisierten irakischen Ölreserven durchgesetzt. Auch ein Teil
der Rüstungsfirmen würde gewinnen, doch verlieren dürften
nahezu alle anderen Branchen, die nicht im Öl- und
Rüstungsgeschäft engagiert sind, die Konsumenten, der
Finanzsektor. Und sollte der Krieg nicht schnell zu Ende gebracht
werden können, dann wären auch eine Flucht aus dem Dollar und
mithin dessen Abwertung denkbar.

Das wäre der Super-Gau der Bush-Regierung. Das Öl würde
nicht mehr in Dollar, sondern beispielsweise in Euro fakturiert.
Oder der Preis würde wie 1973 abrupt steigen, sofern sich eine
Gelegenheit wie damals der israelisch-arabische Krieg bietet.
Bei einem Handelsbilanzdefizit der USA von annähernd 550
Milliarden Dollar 2002 würde die Finanzierung notwendiger
Ölimporten in Fremdwährung für die USA ein nahezu unlösbares
Problem, denn die eigene Produktion ist um jährlich zirka
300.000 Barrel rückläufig. So könnte der Schlacht um das Öl, um
die Herrschaft über Reserven und Preisbildungen, die Schlacht
um die Währung folgen, in der das Öl fakturiert wird. Die
Währungskonkurrenz zwischen Dollar und Euro und Yen dürfte
zum Währungskrieg eskalieren. Der derzeitige Konflikt zwischen
»altem« und »neuem« Europa würde sich zuspitzen, und zwar in
der Frontstellung zwischen den Mitgliedern von Euroland und den
anderen Europäern. Spanien und Italien müssten wohl die Fronten
zum »alten Europa« wechseln.

Vielleicht wird es nochmals eine kurze Phase niedriger Ölpreise
geben, wenn der Krieg kurz ist und die Förderung auf den
irakischen Felder schnell hoch gefahren werden kann. Langfristig
jedoch wird der Ölpreis unweigerlich steigen. Dabei stellt sich die
Frage, in welcher Währung. Das ist ein Kern des Kriegs um das
schwarze Gold. Und daher kommt es schon heute darauf an, nach
alternativen Energien zu suchen, also die solaren Energieträger
zu entwickeln, zumal diese nicht den Nachteil der fossilen
Energieträger haben, dass sie das Klima aufheizen. Insofern ist
die US-Politik konsequent. Sie greift nach den fossilen
Energieressourcen, und sie weigert sich zugleich, die Emissionen
von Kohlendioxid, wie im Kyoto-Protokoll vorgesehen, zu
begrenzen. Und sie ist bereit, einen Krieg anzuzetteln. Das
schwarze Gold hat nur eine schwarze Zukunft.


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