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elfboi schrieb am 18.4. 2002 um 21:19:22 Uhr über

DATENMÜLL

19.06.1998



Nach Jahren anhaltendem Zerfall des autonomen Bewusstseins in der einst so unheimlichen und gefürchtet Burg, ehob sich die Bourgeoisie nun zum entscheidenden Schlag gegen die Festung und einstige Hochburg des Anarchismus, der Ilegalität und des Widerstandes gegen die bewaffnete Staatsmacht. Die Punks verliessen das sinkende Schiff schon vor Jahresfrist - hinausgeekelt durch staatliche und bestechliche Sozialfuzzis, die nun ihrerseits die Macht in der Burg übernommen hatten. Bewaffnete Polizeitruppen sorgten in der Folge dafür, dass es so bleiben sollte. Zwar hörte man von seitens der Burgbewohner noch von einzelnen Protestaktionen gegen Gewalt und Rassismus, welche aber zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr so richtig beeindrucken vermochten. Gross angelegter Drogenhandel, einst von führenden Revoluzionären als Mittel zur Zerstörung des Staates gepriesen, wird mittlerweilen staatlich verwaltet zu probagandistischen und staatserhaltenden Zwecken umgenutzt. Banken und Wirtschaft ertrinkenförmlich im Geldsegen und bestimmen zusehends wozu ihre lächerlich geringen Steuerbeiträge noch zu verwenden sind - zur Modernisierung von Armee und Polizei - sozusagen die letzten Endes wichtigsten staatserhaltenden Komponenten gegen den unzufriedenen Pöbel. Um so reichlicher fliessen die Gelder in die Taschen von Gemeinderäten und ihren Entouragen, je besser es ihnen gelingt, Gemeinde - und Staatswesen als gut funktionierende Wirtschaftsbetriebe zu managen.



Leichte Wehmut überkommt den Chronisten NO 2000 (Neue Ordnung 2000)angesichts der wieder in der Bedeutungslosigkeit von Zeit und
Raum versinkenden Burg und ihrer Bewohner. Da dem Staat die Finanzen zu deren Sanierung fehlten, hatte die Bourgeoisie versprochen, dieses Gelände zu einen Vergnügungspark umzubauen, um so den Schandfleck ihrer einstigen schmählichen Niederlagen vergessen zu machen und um die Macht über Zeit und Geschichte wieder zu erlangen. Nachdem der Chronist PB 96 (Postmoderne Beliebigkeit 96) angedrohthatte, den Bettel hinzuschmeissen und gegen das Ende offensichtlich nur noch Datenmüll und leere Blätter produzierte, beschloss NO 2000 die PB 96 in die zweite Reihe zurückzustufen. Die ewige www.storyofhell.hell dankte es PB 96 dennoch, für ihre unermüdlichen Recherchen unter Erleiden höllischer Quale derart lange durchgehalten zu haben. Doch die Aufgabe eines Höllenchronisten ist die minuziöse Beschreibung von Hass, Intriegen, Sex und Gewalt, und dabei möglichst nicht selber drauf zu gehen. Leiden sollen schliesslich die von Paranoias und Aengsten verunsicherte Leser, welche uns für diesen jugendgefährdenden Schund ihr Geld in den Rachen werfen.



Zersprengt, eingeschüchtert und umerzogen verloren die ehemals gefährlichen und staatszersetzenden Autonomen jeglichen Einfluss auf das
öffentliche Leben im Lande. Ja, viele von ihnen liessen sich zu Sozialfuzzis ausbilden welche dann für ansehnliche Gehälter und Prämien auf jene Druck ausüben konnten, welche um den Preis eines jämmerlichen Randständigendaseins, sich partout keiner Obrigkeit unterordnen wollten. Reisende, Wanderer, Alkoholiker, Drogensüchtige und Asoziale, welche in früheren Jahren zu jeder Tages - und Nachtzeit Unterschlupf in der Burg fanden, standen nun vor deren zubetonierten und verrammelten Toren. Partys, an denen es abging, wurden zur Seltenheit understarrten mehr und mehr zu programmierten kulturellen Anlässen für ein lethargisches Publikum, welches wohl noch bis ans Ende der Menschheit sich von durchschnittlichen Konzerten und DJs Maschinengetrommel langweilen lässt - zum Wohlgefallen jener Sozialfuzzis, welche wenn es schwierig wurde, in den Hinterzimmern mit Erbsenzählen und Wixen beschäftigt waren.



Es waren Jahrzehnte vertaner Chancen - längst Vergangenheit, als der täglich in die Burg ströhmende Pöbel, vermögende Filmproduzenten,
Unterhaltungsindustrie - Spione und Bierproduzenten bereit waren, den Burgbewohnern ihr Geld in den Rachen zu schmeissen. Das Abenteuer war allgegenwärtig. Die Erbsenzähler wurden niedergebrüllt und kriegten ab und zu eins auf die Fresse. Inzwische fanden die ultimativen Partys im ganzen Lande statt und es war kein Zufall, dass wo immer Sly und Bruce die Finger und das Maul im Spiele hatten, ein wahrer Geldsegen in die Taschen der Veranstalter floss. Es lag an ihrem Know-how, das sie zu einem unverzichtbaren Garant jeder erfolgreichen Party werden liessen. Abgesehen davon, dass Zeitpunkt, Deko und Biermenge immer stimmten, ging das Gerüchte um, dass dabei noch eine Menge Woodo mit im Spiel sei. Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen bewarb sich der Chronist NO 2000 bei Sly als Technischer Leiter. NO 2000 ahnte noch nicht, dass Sly eigendlich nur darauf gewartet hatte und dass das ganze Unternehmen in Arbeit ausarten könnte. Dafür blieb halt eben die STORY OF HELL ein bisschen auf der Strecke.



Zusammen stiegen sie hinunter in die Gruft, welche als Wohnung und nebenbei als Atelier und als Lagerraum für den ganzen Partykrempel
diente. Nun lagen da und stapelten sich schon ein mehrfaches an Material, als vor Jahresfrist. Traversen, Lautsprecher, Verstärker-Racks, denen die Eingeweide halb heraus hingen, Lampen Projektoren, Kabel, Styropor und natürlich auch eine Menge Schrott. Aus einer Ecke grinsten ihn ein paar zerfetzte Lautsprechermemranen an. Kisten voller verkotzter und vesiffter Kabel warteten darauf, gereinigt und überprüft zu werden, damit innerhalb der nächsten 24 Stunden - wie ein Phoenix aus der Asche - die nächste Party steigen konnte.



Der Count Down lief und die Triebwerke waren am Aufwärmen. Die ersten Gäste wirkten in diesem gigantischen Partyschiff noch recht
verloren. Die fächerförmigen Strahlen der Absorberschirme tasteten sich in den unendlichen Raum und um sie herum bauten das Kraftfeld auf. Das Schiff füllte sich mit Menschen. Sly überprüfte ein weiteres mal die Phasenschnittpunkte, welche nun exakt nach dem Kraftfeld ausgerichtet waren und korrigierte den Frequenzgang noch minim. Count Down minus zehn, neun, acht, ... Bei minus zwei schob Sly den Leistungshebel langsam nach vorne und bei Null fing das Schiff an zu beben. Die Schwingungen dehnten sich durchs Universum aus und die tektonischen Platten der Kontinente gerieten in Bewegung. Ausserhalb des Schiffes brach die Hölle los. Der Boden wankte und verzweifelte Menschen versuchten aus ihren einstürzenden Häuser nach draussen zu entkommen, wo gerade ein heftiger Schneesturm tobte. Die Stromversorgung brach zusammen. Die Menschen im Partyschiff merkten nichts davon. Sie waren abgehoben im Kraftfeld der Glückseeligkeit, im Rausche halluzinogener Drogen, wild pulsieren dem Höhenpunkt entgegenfiebernd, wo tausend Jahre ein Nichts und eine Sekunde eine Ewigkeit bedeuteten. In der ersten Morgendämmerung zerstreuten sich abertausende von Gäste und mit ihnen löste sich das Kraftfeld in ebenso viele Stücke auf, da wohl jeder ein Stück davon mitnehmen wollte.



Ach ja, jede Party ist mal zu ende und da müssten dann auch wieder mal verräterische Spuren beseitigt werden, damit alles so aussieht, als ob
nichts gewesen wäre. Aber vergebliche Liebesmühe. Nichts ist mehr so wie vorher. Nämlich von diesem Tage an, jeden Sonntag Morgen punkt 6 Uhr heulten die ersten Strassenfegemaschinen durch die engen Hotelgässchen der Hauptstadt. Entsetzt standen die ganzen Touristen aufrecht in ihren Betten und fragten sich, was das soll. Aber noch schlimmer würde es Dir liebe Leserschaft ergehen, wenn Ihr es wagt, ohne Personalausweis einen Fuss auf die Strassen der Hauptstadt zu setzen. Gnadenlos würdet Ihr auf die Polizeiwache abtransportiert, in den Kerker geschmissen und dann würden sie versuchen, Dir ein paar Kilo Koks anzuhängen. Nach Unterschreiben irgend eines Schuldgeständnisses schmeissen sie Dich in die Aare und Deine lieben Verwandten sehen Dich bestenfalls als Leiche wieder. Wenn Du Glück hast, setzen sie Dich im Walde aus - oder Du wirst ausgeschafft. Jedenfalls soviel erfuhr NO 2000 bei seinen Recherchen als Touristik - Beauftragter. Er wollte es genau wissen. Deshalb machte er eine Hungerkur, suchte sich ein paar vergammelte Klamotten und liess sich von der Maskenbildnerin des Regionalfernsehens auf Junky trimmen. Dann lernte er noch ein paar Worte albanisch. So kam er eben zu dieser Gratisreise in den Balkan. Wir waren mit der versteckten Kamera dabei. Wir hoffen, an dieser Stelle keine Indiskretion zu begehen, wenn wir dem MOSSAD für diese vorbildliche Zusammenarbeit nochmals unseren ausdrücklichen Dank aussprechen. Das neu entwickelten Sub- Miniatur-Multimedia-Terminal-System mit Internetanbindung (SMMTS), wie Smith ausgesprochen, kann als Sommersprosse getarnt irgendwo an geeigneten Stellen in die Haut eingepflanzt, oder irgendwo, als Nasenpopel getarnt, an die Tapete gepappt werden. So waren wir auch bei den grässlichsten Folterszenen buchstäblich hautnah mit dabei. Auf den überspielten Videos befinden sich natürlich auch hocherotische Szenen wie N0 2000 legt hübsche MOS-SAD-Agentin auf die Matte. Liebe und Leid sind nahe beieinander. Sobald NO 2000 wieder aus seinem Komasuff erwacht und es uns gelingt, ihn mit einer Flasche Fusel zu bestechen, uns noch ein wenig über seinen Urlaub im Balkan zu erzählen, kann es mit dieser Horrorgeschichte weitergehen.

Fortsetzung


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