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Harnert schrieb am 29.7. 2003 um 00:55:33 Uhr über

Wolf

Der Wolf (Canis lupus) gehört innerhalb der Ordnung der
Raubtiere (Carnivora) zur Familie der Hundeartigen
(Canidae), und hier wiederum zur Gattung der Wolfs- und
Schakalartigen (Canis), welche sechs Arten umfasst: den
Streifenschakal (Canis adustus), den Schabrakenschakal
(Canis mesomelas) und den Abessinischen Schakal (Canis
simensis), welche alle drei in Afrika zuhause sind, den
Goldschakal (Canis aureus), der von der Balkanhalbinsel bis
nach Indien und Ostafrika verbreitet ist, den
nordamerikanischen Kojoten (Canis latrans) und den Wolf,
welcher beinahe die ganze nördliche Erdhalbkugel bewohnt.

Einige Autoren trennen zudem den Haushund (Canis lupus
familiaris) als eigene Art vom Wolf ab. Es besteht heute
allerdings kein Zweifel mehr daran, dass der Wolf der alleinige
Stammvater des Haushunds ist. Die frühere Annahme, dass
auch der Goldschakal zu den Vorfahren des Haushunds zu
rechnen sei, ist gemäss neueren Untersuchungen hinfällig
geworden.

Entstanden sind die Hundeartigen vor rund zehn Millionen
Jahren in Nordamerika. Von dort aus besiedelten sie in
verschiedenen Einwanderungswellen sowohl die Alte Welt als
auch den südamerikanischen Halbkontinent. Die urtümlichste
Hundeart ist heute der in Asien und Osteuropa vorkommende
Marderhund (Nyctereutes procyonoides), der äusserlich
mehr einem Waschbären als einem Hund ähnelt.

Der Wolf ist der grösste Vertreter der Hundeartigen. Er
erreicht im Durchschnitt eine Schulterhöhe von 70 bis 80
Zentimetern und ein Gewicht von etwa 50 Kilogramm. Die
Wolfsformen des hohen Nordens sind im allgemeinen
beträchtlich grösser als die des Südens. Sie können bis zu 80
Kilogramm schwer werden. Die kleinste Rasse ist - mit einem
Gewicht von nur 15 bis 30 Kilogramm - der Rotwolf (Canis
lupus niger) aus dem Süden der Vereinigten Staaten.



Beinahe ein Weltbürger

Die geografische Verbreitung des Wolfs war einst riesig: Sie
umfasste grosse Teile Eurasiens - von der Arktis bis zum
Mittelmeer, nach Arabien, Indien und Japan - und reichte in
Nordamerika von Alaska bis zur Sierra Madre in Mexiko. Im
Laufe der letzten 300 Jahre ist der grosse Wildhund aber vom
Menschen in vielen Gebieten zurückgedrängt oder gar
ausgerottet worden. So kommt er heute in Europa vor allem
noch in der Sowjetunion, in Polen, Rumänien und Jugoslawien
vor, während in Skandinavien, Finnland, in der
Tschechoslowakei und in Italien nur noch kleine Restbestände
überleben. In Asien gibt es noch grosse Wolfsbestände in der
Sowjetunion und kleinere Populationen in China, Iran und
Irak. In Amerika ist der Wolf in den USA ziemlich selten
geworden, kommt aber noch in grosser Zahl in Kanada und
Alaska vor.

Innerhalb dieses riesigen Verbreitungsgebiets zeigt der Wolf
eine sehr grosse Anpassungsfähigkeit an Klima,
Bodenbeschaffenheit und Pflanzendecke. Zwar bevorzugt er
als Lebensraum ausgedehnte Waldgebiete. Er ist aber ebenso
in den offenen Tundren und Steppen zuhause. Lediglich
Wüsten und tropische Regenwälder haben seine weitere
Ausbreitung nach Süden verhindert.

Je nach Region zeigt der Wolf beträchtliche Unterschiede in
seiner Färbung. Während die «gewöhnlichen» Wölfe - die
«Grauwölfe» - ein vorwiegend graues Rücken-, Flanken- und
Schwanzfell mit hellerer Körperunterseite aufweisen, können
die sogenannten «Timberwölfe» der nordamerikanischen
Wälder fast gänzlich schwarz, und die «Weisswölfe» des
hohen Nordens ausgesprochen hell gefärbt sein. Aufgrund der
grossen Unterschiede in Färbung, Grösse und Gestalt werden
allein in der Alten Welt sechs verschiedene Wolfs-Unterarten
unterschieden. Gemäss den sowjetischen Zoologen Haptner
und Naumov gehören jedoch alle europäischen Wölfe - mit
Ausnahme derjenigen Italiens, Spaniens und Portugals - zur
selben Unterart (Canis lupus lupus).



Ausdauernder Hetzjäger

Wölfe sind enorm leistungsfähige Langstreckenläufer. Wenn
sie ihr weites Wohngebiet nach Beute durchstreifen, legen sie
oft in einer einzigen Nacht mehr als hundert Kilometer zurück.
Auf der Flucht oder bei der Verfolgung eines Beutetiers
erreichen sie Spitzengeschwindigkeiten von über sechzig
Kilometern in der Stunde. Auch sind sie gute Schwimmer, die
selbst eisiges Wasser nicht scheuen. Durchschnittlich sind
Wölfe etwa zehn Stunden je Tag in Bewegung.

Beutetiere des Wolfs sind vorwiegend grössere Huftiere wie
Hirsch, Ren und Elch. Er nimmt aber durchaus auch kleinere
Säugetiere wie Nager und Hasen und begnügt sich manchmal
sogar mit Fröschen oder Aas.

Ein Wolf kann erstaunliche Mengen von Fleisch verzehren: an
einem Tag zehn bis fünfzehn Kilogramm. Kein Wunder ist der
«Wolfshunger» sprichwörtlich geworden. Wenn er kein
Jagdglück hat, kann der Wolf aber auch mehrere Tage lang
ohne jegliche Nahrung auskommen. In solchen Fällen kann es
geschehen, dass sich der Wolf, der normalerweise die Nähe
menschlicher Siedlungen meidet, an Haustieren wie zum
Beispiel Schafen, Gänsen und Hunden vergreift.

Auf der Jagd verlässt sich der Wolf hauptsächlich auf seinen
Geruchssinn. Wie unser Haushund ist er ein «Nasentier». Sein
Gehör ist aber ebenfalls sehr gut ausgebildet, während seine
Augen vor allem Bewegungen, weniger Umrisse wahrnehmen.



Gut organisiertes Rudelleben

Wölfe leben in Rudeln zusammen. Die Grösse des Rudels
hängt in erster Linie vom Nahrungsangebot - Art und Dichte
der Beutetiere - im Wohngebiet ab. Meistens umfasst das
Rudel etwa zehn Tiere, manchmal auch weniger. Wächst das
Rudel an, so überschreitet es gelegentlich seine
«wirtschaftliche» Grösse, sodass es schwierig wird, alle
Angehörigen ausreichend zu ernähren. Im allgemeinen nehmen
dann die Streitigkeiten zwischen den einzelnen
Rudelmitgliedern stark zu und bewirken schliesslich, dass sich
das Rudel aufspaltet.

Das Wolfsrudel stellt eine der am weitesten entwickelten
geselligen Organisationsformen im Tierreich dar. Dies hängt
zweifellos mit der Ernährungsweise der Tiere zusammen:
Wölfe sind Grosswildjäger. Allein könnte der einzelne Wolf
die grossen Huftiere, welche oft das Zehnfache seines eigenen
Körpergewichts wiegen, kaum erlegen. So ist er gezwungen,
in der Gemeinschaft mit Artgenossen zu jagen und zu leben.
Und das erfordert - bei Tieren mit kräftigem Raubtiergebiss -
reiche Verständigungsmöglichkeiten und hohe gesellschaftliche
Organisation.

Das Leben innerhalb des Rudels ist geprägt durch eine strenge
Rangordnung sowohl unter den Männchen als auch unter den
Weibchen. Vielfältige zeremonielle Gebärden und
Verhaltensweisen dienen dazu, diese Rangordnung ohne
unnötigen Kräfteverschleiss aufrecht zu erhalten. Bei
Rangkämpfen und anderen Auseinandersetzungen innerhalb
des Rudels sorgen besondere Demutsgebärden dafür, dass
der Sieger den Unterlegenen nicht ernsthaft verletzt.



Heulen und Knurren

Das berühmte Wolfsgeheul dient in erster Linie als
Stimmfühlungslaut innerhalb der Rudelgemeinschaft. Die
Rudelgefährten, die sich bei der Nahrungssuche oft weit
voneinander trennen, können auf diese Weise über grosse
Distanzen Kontakt miteinander halten. Für das menschliche
Ohr ist das Wolfsgeheul über eine Entfernung von acht
Kilometern wahrnehmbar; für das empfindliche Ohr des Wolfs
dürfte es noch viel weiter hörbar sein.

Das «Chorgeheul» mehrerer Wölfe hat gleichfalls gesellige
Bedeutung: Es fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl der
Rudelmitglieder. Ausserdem ermöglicht es Nachbarrudeln,
einander aus dem Weg zu gehen.

Wölfe können auch bellen, knurren, winseln und fiepen.



Jungenaufzucht ist Rudelsache

Die Paarungszeit der Wölfe beginnt im Dezember und endet
im Februar. Die Paarung selber dauert fünfzehn bis dreissig
Minuten. Im März oder April - nach einer Tragzeit von 63 bis
65 Tagen - bringt das Weibchen in einem unteriridischen Bau
durchschnittlich fünf Junge zur Welt. Den Bau hat es zuvor
selbst gegraben oder hat einen bestehenden Fuchsbau
vergrössert. Manchmal wählt es als Geburtsstätte auch einen
hohlen Baumstamm.

Die Welpen wiegen bei der Geburt 300 bis 500 Gramm und
werden etwa sechs Wochen lang von ihrer Mutter gesäugt.
Sie sind anfänglich blind, öffnen aber schon nach 9 bis 13
Tagen ihre Augen.

In ihren ersten zehn Lebensmonaten sind die Jungwölfe sehr
anfällig auf Kälte, Feuchtigkeit und Krankheiten. Die
Jungensterblichkeit beträgt mindestens fünfzig Prozent und
manchmal - bei schlechten Witterungsverhältnissen - sogar bis
achtzig Prozent. Als natürliche Feinde der Welpen kommen
Adler und grosse Eulen in Frage, während der ausgewachsene
Wolf einzig den Menschen zu fürchten hat.

Die Weibchen werden mit knapp zwei Jahren geschlechtsreif,
die Männchen im Lauf ihres dritten Lebensjahrs. In
Gefangenschaft liegt das Höchstalter von Wölfen bei fünfzehn
Jahre. In freier Wildbahn dürfte es selten mehr als zehn Jahre
betragen. Dann nämlich ist die Abnützung der Zähne derart
weit fortgeschritten, dass die Tiere Schwierigkeiten haben,
sich ausreichend zu ernähren. Sehr alte Wölfe werden
zuweilen von ihren Rudelgefährten ausgestossen und gehen als
Einzelgänger zugrunde.

Obschon in einem Rudel meistens mehrere geschlechtsreife
Weibchen leben, paaren sich jeweils nur die ranghohen
Rudelangehörigen und verhindern Begattungsversuche
rangniederer Tiere. Dies trägt zur «Geburtenkontrolle» und
damit zur Selbstregelung der Populationsdichte bei, wie man
es auch von anderen grossen Raubtieren her kennt.

An der Aufzucht der Jungwölfe ist hingegen nicht nur das
Elternpaar, sondern sind ebenso die übrigen Rudelmitglieder
beteiligt. Wenn das Rudel auf Jagd geht, werden die Welpen
von einem erwachsenen Tier - vielfach einem jüngeren
Weibchen - gehütet. Es spielt mit ihnen und beschützt sie bei
Gefahr.

Die jungen Wölfe wachsen sehr rasch heran und machen
schon bald spielerisch Jagd auf Mäuse, Vögel und andere
Kleintiere. Bereits im Herbst begleiten sie als «Lehrlinge» das
Rudel auf der gemeinschaftlichen Jagd nach grossen
Wildtieren.



Der Wolf in Polen

Für den Menschen auf der nördlichen Erdhalbkugel hat der
Wolf schon immer eine besondere Bedeutung gehabt - bei
Jägerstämmen als Beutekonkurrent, bei sesshaften Völkern als
Haustierräuber, und ganz allgemein als lebensbedrohender
Angreifer. Zwar ist die Gefahr durch den Wolf aufgrund der
Entwicklung der Schusswaffen längst gebannt. Doch besitzt
noch heute wohl kein anderes Raubtier einen derart schlechten
Ruf wie der «blutrünstige» Wolf. Dies sehr zu unrecht, wie die
neuere wissenschaftliche Erforschung der Lebensweise
freilebender Wölfe zeigt. Sie gibt nicht nur ein weitaus
freundlicheres Bild dieses ausdauernden Jägers, als es in all
den vielen Schauermärchen entworfen wird. Sie zeigt auch
klar auf, welch wichtige Rolle der kräftige Grosswildjäger im
Haushalt der Natur spielt: Obschon Wölfe ohne Mühe
gesunde, kräftige Beutetiere zu erlegen vermögen, fallen ihnen
vorwiegend ältere, kranke und gebrechliche Tiere zum Opfer.
Sie tragen durch diese natürliche Auslese wesentlich zur
Gesunderhaltung ihrer Beutetierbestände bei.

Noch im Mittelalter war der Wolf über ganz Polen verbreitet
gewesen. Zwar nahm sein Bestand mit dem Aufkommen der
Feuerwaffen ab, doch wurde er nie derart unnachgiebig
bekämpft wie in anderen Ländern Europas. Er konnte sich
daher besonders in den nordöstlichen Teilen Polens gut halten.
Während des Zweiten Weltkriegs und den ersten
Nachkriegsjahren, als die polnische Bevölkerung andere
Sorgen hatte, als dem Wolf nachzustellen, wuchs der Bestand
des grossen Wildhunds wieder an, und er besiedelte erneut
auch die westlichen Provinzen des Landes.

Diese Situation änderte sich schlagartig im Jahr 1955, als die
polnischen Behörden dazu aufriefen, den Wolf mit allen
Mitteln - Feuerwaffen, Gift und Schlageisen - auszurotten, und
eine Prämie auf jedes getötete Exemplar aussetzten. Nun ging
der Wolfsbestand drastisch zurück. Nur dank dem Einsatz
polnischer Naturschutzkreise hat der Wolf dieses Massaker
überlebt. Sie erreichten 1975, dass der Wolf als ein - nach
waidmännischen Regeln zu hegendes - Jagdwild mit einer
Schonzeit vom 1. April bis zum 31. August eingestuft wurde.
Heute lebt in Ost- und Südost-Polen wieder eine gesunde,
ungefähr 300 Tiere umfassende Wolfspopulation. Die grösste
örtliche Bestandsdichte liegt bei etwa 1 bis 1,5 Individuen je
10 Quadratkilometer.

Polen setzt heute alles daran, den Wolf als Teil der
einheimischen Tierwelt zu erhalten. So werden beispielsweise
durch Wölfe verursachte Schäden an Haustieren durch die
polnische Forstbehörde ersetzt. Und es ist beabsichtigt, die
Schonzeit bis zum 31. Oktober zu verlängern. Auch wird die
Erforschung der Lebensweise des Wolfs in Polen
weitergeführt, um so die Grundlagen für gezielte
Schutzmassnahmen zu erarbeiten. Und nicht zuletzt wird
versucht, mit all den Gruselgeschichten über den Wolf
aufzuräumen und die Öffentlichkeit über das wirkliche Wesen
dieses kraftvollen Wildhunds aufzuklären. Dabei hofft man vor
allem auch auf das Verständnis und die Unterstützung der
Hundehalter, denn schliesslich ist der Wolf der Stammvater all
ihrer treu umsorgten Hausgenossen.



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