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wuming schrieb am 30.4. 2003 um 23:32:08 Uhr über

Globalisierungssyndrom

bhopalisierung


Der Aerospace-Konflikt

Herbert Hasenbein 30.04.2003

Scheitern die USA an der Globalisierung?

Seitdem der US Präsident die amerikanischen Bauern mit der Gentechnologie auf die
Beherrschung des Weltmarktes eingeschworen hat, suchen weitere Industriezweige
ihr Heil im staatlichen Protektionismus







"Wir gehen davon aus, dass in den USA in 10 Jahren keine kommerzielle
Luftfahrtindustrie mehr besteht," fasst David J. Pritchard die Ergebnisse einer Studie der
Universität von Buffalo in New York zusammen. Pritchard ist seit
20 Jahren in der Zuliefererindustrie tätig und übersieht die führenden Flugzeughersteller.
Boeing und Airbus sind bereits heute keine wirklichen Produzenten mehr, sondern führen
Teilprodukte zusammen, die von staatlichen oder staatlich geförderten Firmen, die über
die Welt verstreut sind, produziert werden.

Die Arbeitsteilung wirkt sich zwar günstig auf den Aktienwert aus, weil sie die eigenen
Kosten senkt und das Risiko des zögerlichen Verkaufs seit 9/11 zusätzlich auf die
Zulieferer verlagert. Nachteilig ist indes, wenn dabei das technische Wissen verloren
geht. Nachdem etwa Boeing 1995 die Firma Hyundai mit dem Bau der Flügel für die 717
beauftragte, ist in Seattle das Know-how dafür weitgehend ausgedünnt. Die Koreaner
begannen mit moderner Simulations- und Konstruktionstechnik und wurden rasch
effizienter als das US Unternehmen.


Die Umwandlung vom Hersteller zum weltweit operierenden Dienstleister
(global service corporation) geht mit dem Abbau von 40-50 Tausend
hochdotierten und hochmotivierten Arbeitsplätzen in den USA einher. Die Zahl
der Wissenschaftler und Ingenieure hat sich seit 1970 bereits auf 20 Prozent des
ursprünglichen Personalbestandes verringert und wird noch weiter abbröckeln,


prophezeit David J. Pritchard. Übrig bleibt seiner Meinung nach der militärische Sektor,
weil "die hoch technisierten Flugkörper der Militärs profitabler sind als
Passagiermaschinen."

Boeing mit den schmalen Auftragsbüchern ist beispielhaft für eine Entwicklung, die so
oder ähnlich bei anderen US Firmen ablaufen kann.


Bisher hat sich die US Regierung ausschließlich darum gekümmert, dass keine
sensible Technologie an Firmen in feindlichen Ländern vergeben wurde. Heute
geht es um eine neue Herausforderung, nämlich durch die gezielte Auslagerung
aus dem Hoheitsgebiet der USA. Damit verbunden ist nicht zuletzt der Verlust an
heimischen Arbeitsplätzen.
David J. Pritchard




Amerikas Stolz aus dem
20. Jahrhundert ist in
Gefahr (Bild:
Kommissionsbericht)




Die Ergebnisse der Buffalo-Studie flankieren einen 300seitigen Bericht der
Commission on the Future of the United States Aerospace Industry

Nach Meinung der 12 Kommissionsmitglieder muss die Fehlentwicklung im nationalen
Interesse korrigiert werden. "Das 20ste Jahrhundert war das Jahrhundert Amerikas, weil
Amerika die Führung in nahezu allen ökonomischen Bereichen von Wissenschaft und
Technologie übernommen hat," heißt es, und weiter:


Unglücklicherweise halten viele Bürger diese Position für selbstverständlich.
Tatsächlich haben fremde Staaten ebenfalls die immense Bedeutung der
Aerospace-Industrie erkannt und wollen uns die Vorherrschaft streitig machen.


Gegen diesen Angriff werden nationales Sicherheitsbedürfnis, Wirtschaftswachstum,
Lebensqualität und die wissenschaftliche Führungsrolle beschworen. Aktionen und
Maßnahmen »heute und jetzt« sind nötig, damit die amerikanische Dominanz erhalten
bleibt.

Zu den Mitgliedern der Kommission gehören Geschäftsführer großer
Aerospace-Unternehmen, bemerkenswert ohne Boeing, sowie Gewerkschaftler und
Ökonomen. Schaut man etwas genauer hin, argumentieren sie unisono, dass die immensen
Investitionen der amerikanischen Bevölkerung in die Raumfahrt und der Blutzoll
amerikanischer Astronauten noch bei weitem nicht den für die USA erhofften Profit
eingebracht haben. Obwohl die Kommission vom freien Markt (Global markets: open and
fair) spricht, erwartet sie, dass die US Regierung interveniert (must act to level the
playing field), wenn staatlich geförderte Unternehmen fremder Länder die amerikanischen
Angebote unterbieten. Ferner soll die Zertifizierung bei der FAA/JAA (Federal Aviation
Administration/Joint Aviation Authorities) der amerikanischen Führungsrolle angepasst
werden.

Womit die Konkurrenten nicht Eigenentwicklungen, sondern patentierte US Produkte
erwerben und installieren müssen, damit ihre Produkte in den USA fliegen dürfen. "Wer
die Regeln macht, macht das Geschäft," erklärt John Douglass, einer der
Kommissionsmitglieder.


Damit wir nicht zurückfallen, gehört zu unserer Aufgabe auch die Jugend. Wir
müssen die Ausbildung von Mathematik und Physik intensivieren.




Der Himmel gehört uns,
versucht die
Commission on the
Future of the United
States Aerospace
Industry deutlich zu
machen (Bild:
Kommissionsbericht)




Der Himmel bis über den Mars hinaus gehört den USA, ist das Kredo. Die Kooperationen
der NASA mit europäischen Arbeitsgruppen, deren profitable Ergebnisse in die USA
zurückfließen, werden nicht erwähnt. Ebenso wenig wird darüber reflektiert, dass
Deutschland und Italien, 1945 von den Amerikanern befreit, gelehrige Schüler des US
Kapitalismus wurden und gelernt haben, sich gegen die amerikanische Übermacht auf dem
Weltmarkt zu behaupten.

Statt dessen dreht sich der Bericht um die Frage: Wie kann die amerikanische
Vorherrschaft sichergestellt werden? Indem Präsident, Kongress und ein nationales Team
ähnlich der Heimatverteidigung an einem Strang ziehen und die Gefahren von außen
abwehren. Der Bericht wird auf fruchtbaren Boden fallen, weil er die Feinde für den
Niedergang der amerikanischen Aerospace-Industrie benennt und der Regierung guten
Grund gibt, für Ordnung zu sorgen. Das Strickmuster ist auf den Präsidenten zugeschnitten.
George W. Bush hat mit der Farmbill (vgl. Furcht vor dem
Nahrungsmittel-Bioterrorismus: real oder Mittel zum Protektionismus?) den Anfang
gemacht und mit der intensiven Förderung wissenschaftlicher Entwicklungen im Schutz
gegen den Terrorismus den Protektionismus als Mittel seiner Politik fortgeführt. Es hat
den Anschein, dass die Globalisierung immer mehr als Gefährdung amerikanischer
Interessen empfunden wird, sobald sich der Wettbewerb zu Ungunsten der USA
verschiebt.

Dass auch in wirtschaftlichen Fragen die Peitsche schnell zur Hand ist, wurde im Februar
deutlich: Washington dachte laut über einen Handelsboykott nach, weil sich die EU
beständig gegen genetisch modifizierte Nahrungsmittel sträubt. Damals hoffte George
W.Bush noch auf Unterstützung durch seinen Freund Jaques Chirac, der genetischem
Getreide weniger restriktiv gegenüber steht als seine Kollegen in den anderen EU
Ländern. Die zwischenzeitliche politische Entwicklung und die »feindliche« Achse
Paris-Berlin-Moskau wird nicht mehr so leicht aufzubrechen sein. Für George W.Bush ist
die Verschleppung ein Misserfolg, hat er doch den amerikanischen Bauern versprochen,
dass sie ihr »functional food« auch in Europa vermarkten werden. Wenig schmeichelhaft
für die USA auch dies: bei SARS hat ein kanadisches Forschungsinstitut die Gensequenz
des Coronavirus publiziert, bevor die CDC gleichzog, und ein Hamburger Institut hat den
ersten Bluttest zum Erregernachweis auf den Markt gebracht. Womit deutlich wird, dass
technische und wissenschaftliche Erfolge nicht erzwungen werden können und selten in
künstlichen Schutzzonen gedeihen.































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last modified: 27.04.2003
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