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Scham
 
 Scham signalisiert eine Diskrepanz zwischen Ich und Ich-Ideal. Dieses Ich-Ideal kann als die fantasierte Erwartung durch das „Auge
 des Anderen" interpretiert werden, das auf die eigene Person gerichtet ist. Beim Schamgefühl wird eine generelle, interne Ursache
 als Auslöser attribuiert; es bezieht sich auf Merkmale und Eigenschaften, welche die Person als Ganzes betreffen. Das
 Ausdrucksverhalten manifestiert: Das als mangelhaft empfundene Selbst soll vor den kritisch-verachtenden Blicken eines wichtigen
 Anderen verborgen werden. Scham reguliert das Verhältnis zwischen Individuum und sozialer Umgebung und kann sowohl zur
 vermehrten Anpassung als auch zur verstärkten Autonomie motivieren . Wurmser bezeichnet deshalb die Scham als „Wächter des
 Selbst». Obwohl das „Verbirg Dich!« die dominierende Selbstinstruktion ist, die ans Gegenüber appelliert „Laß mich in Ruhe!",
 signalisiert das auffallende Erröten einen anderen Aspekt, nämlich das Motiv, die Beziehung aufrechtzuerhalten. Moser u. von
 Zeppelin fassen die beiden Aspekte in folgende Formel: „Scham signalisiert eine Selbstveränderung gemäss der vermuteten
 Intention des Objektes. ‘Ich weiss, daß etwas nicht gut ist, aber bleibe bei mir und verachte mich nicht’. Durch das Schamsignal
 wird das Objekt gezwungen, sein Verhalten zu ändern und zu warten, bis eine neue Form von Selbstdarstellung gefunden ist" Im
 Gegensatz zum Schuldgefühl der Selbstwertkonflikt- die Überschneidung von Über- Ich und Ich- Ideal. Während es beim Über- Ich
 Konflikt vorwiegend um Schuldgefühle geht, bezieht sich die Selbstwertproblematik überwiegend auf die Scham (bzw. auf ihre
 Abwehr). Scham ist der emotionale Indikator im Bezug auf die Selbstwertregulation. Hier geht es nicht wie bei der Schuld um „gut
 und böse“, sondern um stark und schwach, groß und klein, narzißtisch ausgeglichen oder labilisiert. Jeder Mensch ist auf eine
 befriedigende Regulation seines Selbstwertgefühles bedacht. Im theoretischen Bezug geht es hierbei um die Regulierung
 sogenannter intrasystemischer Spannungen und weniger um intersystemische Konflikte. Treten Konflikte im engeren Sinne auf,
 beziehen sie sich auf die Selbst- vs. Objektwertigkeit. Es geht hierbei um Personen, bei denen die Anstrengungen zur Regulierung
 des Selbstwertgefühls übermäßig stark, in besonderer Weise erfolglos, oder anamnestisch und/oder aktuell in der
 Untersuchungssituation deutlich konflikthaft sind.  Die Selbstwertkonflikte überragen auch eindeutig in ihrem Ausmaß die anderen
 beschreibbaren Konfliktebenen. Der Symptomblidung , welcher Art auch immer, kommt psychodynamisch stimmig ein restitutiver
 Charakter für das für das Selbstbild zu. Dem Symptom wird eine einmalige weit über das klinisch nachvollziehbare Ausmaß
 hinausgehende Wirkung zugeschrieben, die mit einer diesbezüglich eher unauffälligen medizinischen Vorgeschichte kontrastiert.
 Das ganze Leben des Patienten kann um das Symptom herum organisiert werden. Die krankhafte Veränderung tritt fast regelhaft
 schlagartig ein, oft durch ein äußeres Ereignis, häufig einen banalen Unfall. Die mögliche Beseitigung des Symptoms auf
 psychotherapeutischem Weg wird nicht als Entlastung sondern als narzißtische Bloßstellung phantasiert. Möglicherweise handelt
 es sich bei diesen Selbstwertkonflikten um ein an Bedeutung zunehmendes Phänomen unserer Zeit, in der der Körper immer mehr
 zum Träger narzißtischer Bedürfnisse zu werden scheint. Der Konflikt kann sich auch als Persönlichkeit, Eigenart bemerkbar
 machen (narzißtische Persönlichkeit) und muß nicht zu einer umschriebenen Symptombildung führen.
  
 
 
 
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