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solarschule schrieb am 28.2. 2003 um 00:59:51 Uhr über

gats

werden. So können Lücken bei der Binnenmarktliberalisierung, d.h. Bereiche mit stärkerer staatlicher Regulierung, über den Weg der GATS-Verhandlungen unter Druck geraten. Etwaige nationale Forderungen nach Rücknahme von Liberalisierungen (und seien diese auch nur zeitlich befristet) können zukünftig durch Verweis auf GATS-Verpflichtungen abgewiesen werden. Eine wesentliche Funktion dieses Abkommens wird daher auch darin gesehen, Liberalisierungsfortschritte, die auf bilateraler oder regionaler Ebene erzielt wurden, zu multilateralisieren und festzuschreiben. Eine Wiedergewinnung staatlicher Regelungskompetenzen ist nach einmal erfolgter Festschreibung im Prinzip nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Das GATS-Konzept der fortschreitenden Liberalisierung sieht eine sukzessive Ausweitung von Marktöffnungsverpflichtungen vor.
Wie das European Services Forum im Zusammenhang mit der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Personenbewegungen feststellte, könnten entsprechende GATS-Regelungen wechselseitige Oberprüfungsprozesse zwischen den VVTO-Mitgliedern vorschreiben »und damit den Spielraum für politisch motivierte Debatten auf der nationalen Ebene verringern« (ESF 2000). Tatsächlich liegt eine wesentliche Gefahr der GATS-Bestimmungen darin, wechselseitigen »peer pressure« (Gruppendruck) zu stimulieren und darüber innenpolitische Handlungsspielräume zu begrenzen. Ein wichtiger Mechanismus ist in diesem Zusammenhang die GATS-Anforderung der Transparenz über innerstaatliche Regelungen. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung wurde mit den Länderlisten spezifischer Verpflichtungen geschaffen, denn diese legen das jeweilige nationale Außenhandelsregime - wenn auch nur im Ansatz - offen. Des Weiteren handelt es sich bei den Länderlisten um völkerrechtlich verbindliche »standstill«-Verpflichtungen. Wird das Außenhandelsregime z.B. durch Gesetzesnovellierungen restriktiver ausgestattet, liegt ein Verstoß gegen bindendes Völkerrecht vor (Koehler 1999: 236). Hinzu kommen die Notifizierungsanforderungen des GATS, die dazu führen können, dass neue nationale Regelungen bis hin zu Gesetzesvorhaben schon im Entwurfsstadium mit interessierten VVTO-Mitgliedern diskutiert werden müssten.
Zweifelhaft ist, ob Restriktionen für die nationale Regulierungsebene durch spezifische Schutzmechanismen verhindert

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werden können. Ob beispielsweise die auch von Gewerkschaften geforderte Schutzklausel bei Markt- oder Arbeitsmarktstörungen, die die zeitlich befristete Aussetzung von Verpflichtungen ermöglichen soll, im Konfliktfall angewendet wird, hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Zum einen muss der innenpolitische Problemdruck durch die Marktstörungen hoch genug sein. Zum anderen verlangt die nationale Anwendung einer solchen Schutzklausel das Einvernehmen mit den übrigen EU-Staa-

te n.
Für die EU-Mitgliedsstaaten kommt als besonderes Problem hinzu, dass sich die sehr hohe Binnenmarktliberalisierung mancher Sektoren in den GATS-Verhandlungen als zusätzliches Risiko erweisen kann. Wenn die Kommission mit Verweis auf eigene Liberalisierungsfortschritte entsprechend hohe Forderungen an Drittstaaten stellt, werden diese weitreichende Forderungen an die EU stellen, was bei entsprechenden Zugeständnissen den Wettbewerbsdruck auch in bisher geschätzten Bereichen erhö-
hen kann.
Ferner stellt das GATS einen Verhandlungsrahmen dar, der nicht nur multilaterale Verpflichtungen zum Ziel hat, sondern gerade auch bi- und plurilaterale Abkommen ermöglicht. Die plurilateralen Abkommen zu Basistelekommunikation und Finanzdienstleistungen wurden vor allem von wettbewerbsstarken Ländern wie den EU-Mitgliedern vorangetrieben. Die EUKommission propagiert denn auch immer wieder Vorschläge für weitere plurilaterale Abkommen unter dem GATS. Die bisherigen »plurilaterals« sind zudem in erstaunlich kurzer Zeit von zum Teil ein bis zwei Jahren zustande gekommen.
Für die nationale Regelungskompetenz innerhalb der EU kommt erschwerend hinzu, dass die Europäische Kommission beständig mit den Mitgliedsstaaten darum ringt, ihre Kompetenzen zu erweitern. Zwar ist die europäische Außenhandelspolitik bereits vergemeinschaftet, jedoch gibt es noch einige wenige nationale Mitbestimmungsmöglichkeiten. Bei der Regierungskonferenz im Dezember 2000 in Nizza wurde der Artikel 133 des EG-Vertrags neu gefasst. Danach beschließt der Ministerrat über die Annahme von Handelsabkommen grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit, d.h. einzelne Mitglieder haben keine Vetomöglichkeit. Grundsätzlich fallen diese Entscheidun-

6. Potenzielle Folgen weiterer GATS-Liberalisierungen

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