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elfboi schrieb am 17.12. 2002 um 21:15:03 Uhr über

gats

Wie schön, dass Bildung Ware sein darf



Versprechen nur ein Versprecher? Oder doch alle Verbrecher?

Wer erinnert sich noch an das Versprechen, es würde ein Verbot von Studiengebühren jeglicher Art geben? Die SPD und ihr Koalitionspartner die Grünen anscheinend nicht mehr. Stattdessen führen sie in den einzelnen Bundesländern nach und nach Gebühren ein, die die SPD «Studienkonten» und die Grünen «Bildungsgutscheine» nennen. Während im neuen Hochschulrahmengesetz die Gebührenfreiheit des Erststudiums großzügig abgesichert wird, werden gleichzeitig zahlreiche Studiengänge in Weiterbildungsstudiengänge umgeändert, für die selbstverständlich von Anfang an zu zahlen ist. Von Gebührenfreiheit bleibt auch dann nichts mehr übrig, wenn die einzelnen Länder von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, bei Bedarf doch Studiengebühren einzuführen. So zahlen Studierende in Baden-Württemberg bereits seit einigen Jahren 500 Euro pro Semester, wenn sie die willkürlich festgelegte «Regelstudienzeit» um vier Semester überschritten haben.

Mittel gekürzt und Einrichtungen privatisiert: rot-grüne-bertelsmännische Bildungspolitik

Nicht nur die Hochschulen leiden seit Jahren - und in Zukunft verstärkt - unter den neoliberalen Umstrukturierungen. Auch Grundschulen und weiterführende Schulen werden demnächst

unter dem Deckmantel der «qualitätsverbessernden» Selbständigkeit in den privaten Markt entlassen. In NRW beteiligen sich mittlerweile zahlreiche Schulen an Frau Behlers Modellprojekt «Selbständige Schule». Mit «selbständig» ist hierbei vorrangig die Abhängigkeit der Schulen von Unternehmen zur Eintreibung von Finanzmitteln zu verstehen. Die Projektleitung übernimmt - wer sonst - Bertelsmann. Die Bertelsmann AG versucht auch in anderen Bereichen des Bildungswesens den Weg zu bestimmen - und das recht erfolgreich. So gründete das Unternehmen im Mai 1994 das CHE (Centrum für Hochschulentwicklung), das sich klar für Studiengebühren ausspricht und demnächst einen Modellversuch dazu an der TU München startet wird. Des weiteren betreibt das CHE eifrig Lobbyarbeit zu seinen Interessen, die unter anderem in kürzeren Studienzeiten (erhöht den Leistungsdruck), in mehr Entscheidungskompetenzen für die Führungsgremien (verschlankte Verwaltung) und in der Förderung der «Leistungsgerechtigkeit» (Konkurrenz) unter Studierenden liegen.

Doch warum will die Bertelsmann AG Einfluss auf die Entwicklungsrichtung des Bildungswesen nehmen? Warum ausgerechnet in den Bereichen, die größtenteils in öffentlicher Hand sind (Schulen und Hochschulen)? Lobbyarbeit nur zum Spaß? Ganz sicher nicht. Denn was jetzt noch wie ein einigermaßen staatliches Bildungssystem aussieht, wird in Zukunft ein freier Markt für Bildungsanbieter sein, auf dem Bertelsmann natürlich führend sein möchte.

GATS - Oder: Wo bleibt die Privatisierung von Luft und Militär?

Grund für die Abgabe des Bildungswesens an die privaten Anbieter sind u.a. die Auflagen des GATS, die es dem Staat in Zukunft nicht erlauben werden, Hochschulen zu finanzieren. Das

GATS (General Agreement on Trade in Services) wurde 1994 unter den WTO Staaten beschlossen. Es hat die Privatisierung von insgesamt 15 Dienstleistungssektoren, die derzeit in den meisten Länder noch in öffentlicher Hand sind, zum Ziel. Über jeden Sektor wird einzeln verhandelt. Auch das Wasserversorgungssystem, sowie das Gesundheitswesen und schließlich auch das Bildungssystem stehen davor, im Rahmen des GATS privatisiert zu werden. Ist ein Bereich einmal für den freien Markt geöffnet, müssen die Gesetze für ausländische Betriebe die gleichen wie für die inländischen sein. Es entsteht ein globaler Markt auf dem jedeR überall die Dienste anbieten kann, die vormals in öffentlicher Hand waren. Auf einem solchen Markt sind die Regulierungssmöglichkeiten der Staaten natürlich auf das Minimalste begrenzt. Würde z.B. die Bundesregierung ihre Hochschulen weiter finanzieren, könnte sie von ausländischen Privatanbietern im Hochschulwesen wegen Wettbewerbsverzerrung verklagt werden. Eine solche Klage hätte zur Folge, dass die Regierung allen anderen Anbietern dieselben finanziellen Mittel zukommen lassen muss, wie den staatlichen Hochschulen, damit diese nicht bevorteilt werden. Unwissende PolitikerInnen setzen einer solchen Argumentation stets entgegen, ohne Beschluss im deutschen Parlament könne eine solche Situation für die öffentlichen Hochschulen - also quasi ihre Abschaffung oder Umwandlung - nie entstehen. Im GATS-Vertrag steht jedoch ganz klar drin, dass die Vertragsinhalte über den staatlichen Gesetzen stehen. So unwissend wie viele von ihnen tun, mögen die PolitikerInnen gar nicht sein. Das kann jedenfalls bei der näheren Betrachtung der Studienkontenmodelle von Behler und Zöllner geschlussfolgert werden: Die Finanzierung der Hochschulen wird umgelagert auf die Studierenden selbst, die ihrerseits ein bestimmtes Guthaben vom Staat bekommen. So findet eine indirekte Finanzierung der öffentlichen als auch privaten Hochschulen statt. Nur was bleibt dann noch öffentlich? Das Geld ihrer Studierenden (=KundInnen) allein wird einer Hochschule keinesfalls reichen. Ohne die vermehrte Eintreibung sogenannter Drittmittel wäre der Hochschulbetrieb nicht finanzierbar. Die «SponsorInnen» erhalten schließlich verstärkt Mitspracherecht, was die Bildungsangebote und -inhalte angeht. Bildung wird so zu einer Ware, die möglichst günstig (kurze Studienzeit) und marktgerecht (auf das nötige Fachwissen reduziert) an die Leute verkauft wird, die sich «Wissen» leisten können.

Während die Privatisierung von Schulen und Hochschulen für Leute in der BRD und in anderen westlichen Staaten ein ideologisches Problem darstellt, berührt sie in den sogenannten Dritte Welt Ländern die Existenz der dort lebenden Menschen. In Ekuador beispielsweise gehen nur noch 40 % der Kinder zur Schule, da ihre Eltern sich die «Einschreibegebühren» in den Staatsschulen in Höhe von 30 Dollar (entspricht dem Monatsgehalt einer/s Lehrerin/s) nicht leisten können. Dass der Schulbesuch bei privaten Bildungsanbietern günstiger sein wird, kann ausgeschlossen werden. Innerhalb der letzten 10 Jahre ist der Analphabetenanteil der Weltbevölkerung von 20 auf 25 % gestiegen. Damals wurde von der UNESCO und verschiedenen NGOs eine weltweite Kampagne, «Education For All», ausgerufen: «Bis zum Jahr 2000 sollten alle Menschen Zugang zu einer qualität(s)vollen Grundbildung haben.» (Karl-Heinz Heinemann, «Zwischen Ideologie und Existenz», September 2001). Auf der Konferenz in Dakar (2000) wurde diese Frist bis zum Jahr 2015 verlängert.

Schluss mit dem Bildungsklau!

Im Dezember letzten Jahres lief eine Protestwelle durch Europa, gegen das GATS und neoliberale Bildungsreformen. In Griechenland und Spanien wurden zahlreiche Universitäten

bestreikt; Tausende SchülerInnen und Studierende beteiligten sich europaweit an Protestaktionen und Demonstrationen. Auch in diesem Jahr gehen die Proteste weiter. Bis zum 30.06.02 sollen die Vorschläge zur Privatisierung der einzelnen VerhandlungspartnerInnen eingereicht sein. Eine Woche vor diesem Termin wird es aller Voraussicht nach eine große Demonstration beim EU-Gipfel in Sevilla geben, die zahlreiche SchülerInnen und Studierende besuchen werden. Diesem Höhepunkt der europäischen Protestbewegung geht die Aktionswoche vom 21.05. / 25.05.02 voraus, während der alle SchülerInnen und Studierenden in Europa zu Durchführung von Aktionen aufgerufen sind. Seit Juli letzten Jahres existiert ein loses Netzwerk von Aktiven, die zu dem Grundsatz «Education is not for Sale» arbeiten. Die Kontakte haben sich inzwischen nach Nord- und Südamerika, Afrika, sowie Neuseeland und Australien ausgeweitet. Mehr Informationen sind u.a. auf den Internetseiten www.education-is-not-for-sale.org und www.antilou.org zu finden.

Mona Beumers
(AStA Referat für Friedenspolitik und Internationales)


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