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Böhl schrieb am 2.11. 2001 um 16:38:21 Uhr über

Mittelalter

Die Kanzlei in der Stauferzeit


Über welche Herrschaftsinstrumente verfügten die staufischen Könige (Kaiser) und das Reich wenn sie die Organisation staatlichen Lebens lebendig fortführen und ausgestalten wollten? Hierbei stoßen wir sofort auf eine Einrichtung, nämlich auf die Kanzlei als Organ der Regierung und Verwaltung des Imperiums.
Die hochmittelalterliche Kanzlei des Herrschers ist jedoch keine festgefügte Institution und nicht mit heutigen Behörden zu vergleichen. Die Quellen nennen bis ins 12. Jahrhundert vielfältig das Wort cancellarius. Die große Zahl derartiger Begriffe zeigt die Bedeutung für die Würde des Amtes an.
Schon weil das Königtum keine ständige Residenz besaß, konnte die Kanzlei keinen festen Sitz und keine Amtsräume haben. Sie war genötigt, mit einem Mindestmaß an Unterlagen ihr Auskommen zu finden, die die Begleitung des Herrschers auf den Umritt durch das ausgedehnte Reichsgebiet mit sich führte. Archive und Register standen nicht zur Verfügung. Die Beurkundung stand in einer ehrwürdigen Tradition und beachtete gewisse feststehende , mehr oder minder erstarrte Gewohnheiten. Es bestand keine Kanzleiordnung und kaum eine geregelte Geschäftsführung.
Der Kanzleibegriff ist mit einem ganz konkreten historischen Sachgehalt verbunden denn er dient der Beschreibung bestimmter Tatbestände, deren Aufhellung zu den wesentlichen Aufgaben der Urkundenforschung gehört.
Alle Personen die ständig mit der Herstellung von Urkunden beschäftigt sind werden als Kanzleiangehörige bezeichnet. Als kanzleigemäß werden die charakteristischen äußeren und inneren Merkmale eines Ausstellers bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen Kanzlerwürde und Kanzlei als Institution verdeutlicht sich dadurch, dass es Herrscher gab die zwar einen Kanzler, aber deshalb noch keine Kanzlei besaßen. In diesen Fällen bestand das Hofamt, dessen Träger eine einflussreiche politische Rolle spielte, aber es existierten keine Kanzleischreiber, die die Aufgaben hatten, nach bestimmten Regeln Urkunden auszufertigen.
Da bis ins Hochmittelalter hinein nur die Kleriker die Kunst des Schreibens beherrschten, lag die Ausfertigung der Urkunden und die Arbeit in der Kanzlei in der Hand der Hofgeistlichen, die man als Kapellane bezeichnete. Kanzleidienst war geistliche Hofdienst im Gefolge des Monarchen, durch dessen Gunst man hoffen durfte, Karriere in der kirchlichen Hierarchie des Reiches zu machen. Diese Kräfte, die vielfach den vornehmsten Familien entstammten, arbeiteten unter der Leitung eines ebenfalls geistlichen Kanzleivorstandes, für den sich der Titel cancellarius eingebürgert hatte. Die feudal-aristokratische Denkungsart, die seit dem Zeitalter der Ottonen den Aufbau der Reichskirchenverfassung vollends bestimmte und unter Barbarossa eine besonders reine Ausprägung fand, entsprach es, dass das Ehrenamt des Erzkanzlers in der Hand eines der vornehmsten geistlichen Fürsten lag. Nun galten Deutschland, Italien und Burgund an und für sich als gesonderte Königreiche. Es gab deshalb eigene Erzkanzler für jedes dieser drei regna, obwohl im 12. Jahrhundert für das ganze Imperium nur mehr ein Kanzler und eine einzige Kanzlei tätig waren. Die Würde des Erzkanzlers lag seit der Zeit Ottos des Großen (965) ständig in der Hand des Erzbischofs von Mainz, jene für Italien seit 1031 mit geringfügigen Unterbrechungen beim Erzbischof von Köln.
Auch die eigentlichen Leiter der Kanzlei, die Kanzler, wurden zur Zeit Barbarossas in den Formen lehensrechtlicher Symbolik in ihr Amt investiert, das mit dem Rang eines Reichsfürsten verbunden war. Sie zählten zu den hervorragendsten staatsmännischen Mitarbeitern des Kaisers. Ihre Dienste wurden in der Regel dadurch belohnt, das sie zu Erzbischöfen, bzw. zu Bischöfen ernannt wurden. Eine Ernennungsurkunde enthält gewisse Aussagen darüber, welche Vorstellung man am Kaiserhofe von den Aufgaben des Erzkanzlers hatte. Es handelt sich um eine Würde bei Hofe, der Reichserzkanzler oder auch Hoferzkanzler genannt, ist ferner oberster der Notare. Der Hof galt als Mittelpunkt des Reiches.
Eine Neuerung zur Zeit Barbarossa ist die Einführung der Würde des protonotarius. Die Herkunft des Titels, den damals nur eine einzige Person bei Hofe trug, ist nicht geklärt.
Während die Kanzler und Erzkanzler sich über vielfältige Quellen nachweisen lassen bleiben die eigentlichen Träger der Kanzleiarbeit anonym. Weder durch die Nennung ihres Namens, noch durch die Eigenhändigkeit ihrer Schriftzüge bürgen diese untergeordneten Kräfte in irgendeiner Weise für die Glaubwürdigkeit der von ihnen verfassten und geschriebenen Urkunden; letztere beruht zur Zeit Barbarossas ausschließlich auf dem Siegel des Herrschers. Seitdem es nicht mehr üblich war, dass dieser einen Strich in das aus Buchstaben seines und Titels zusammengesetzte Monogramm eigenhändig einsetzte, um das Diplom zu vollziehen, war die Kaiserurkunde eine reine Siegelurkunde geworden. Von ganz vereinzelten Ausnahmefällen abgesehen, erscheinen die Schreiber der Diplome auch nicht in den Zeugenlisten, in denen in erster Linie die geistlichen und weltlichen Fürsten und Großen des Reiches, dann auch Personen geringeres Standes genannt werden. Das Kanzleipersonal kam seiner rechtlichen und ständisch-sozialen Stellung nach dafür normalerweise nicht in Betracht.
Die Tätigkeit dieser Kräfte lässt sich nur über den Schrift- und Diktatvergleich rekonstruieren. Dem Schriftvergleich gebührt dabei unbedingt der Vorrang, wie er fast stets zu ganz eindeutigen Ergebnissen führt. Außerdem ist im Normalfalle die Annahme naheliegend oder doch sorgfältig in Betracht zu ziehen, dass Schreiber und Verfasser ein und die selbe Person sind. Der Schriftvergleich dient zunächst der Echtheitskritik. Sind mehrere Urkunden eines Herrschers für verschiedene, untereinander nicht im Zusammenhang stehende Empfänger von derselben Hand geschrieben, dann können sie nur von einem Angehörigen der Kanzlei des Ausstellers stammen. Damit besteht auch die Möglichkeit, festzustellen, wie viele Kräfte damals in der Kanzlei tätig gewesen sind. Da wir zwar ihre graphische Individualität, aber nicht ihre Namen kennen, bezeichnen wir sie mit einer Sigle, die sich aus dem Namen des Kanzlers, unter dem sie dienen, und einem weiteren Buchstaben zusammensetzt. So ist zum Beispiel RC nach diesem System der dritte unter der Kanzlerschaft Rainalds von Dassel tätige Schreiber mit den Mitteln des Schriftvergleichs zu erfassen.
Der Diktatvergleich ist mit größerer Behutsamkeit zu handhaben. Im mittelalterlichen Latein bedeutet das Wort dictare, ein Schriftstück in einer gehobenen Redeweise abzufassen. Der Diktator dieser Urkunde ist also der Verfasser. Erst die Feststellung aller individuellen Stilelemente und Gewohnheiten erlaubt die Zuweisung des Diktats an eine bestimmte Persönlichkeit.
Es besteht kein Zweifel, dass der Zusammenhang zwischen Kanzlei und Hofkapelle unter Friedrich I. weiterhin in der gleichen Weise fortbestand wie unter seinen Vorgängern.
Das System der kurialen Amtstätigkeit in der Kanzlei des Hofes verfeinerte sich im 13. Jahrhundert und war bedeutend besser organisiert.


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