Weltgeistliche (Säkularkleriker) im Hochmittelalter
Kirche und Kirchenverfassung:
Die Kirchenverfassung oder Gliederung der Kirche um 1200 lässt sich am besten als
eine Summe der größeren Kirchensprengel beschreiben. Das deutsche Regnum
umfasste im hohen Mittelalter die Erzbistümer oder Kirchenprovinzen Mainz: die
größte, mit den Bistümern (Diözesen) Verden, Paderborn, Hildesheim, Halberstadt,
Würzburg, Worms, Speyer, Straßburg, Eichstätt, Augsburg, Konstanz und Chur, Prag
und Olmütz sowie vor allem die Erzdiözese Mainz selbst, die sich von der Pfalz bis
über Erfurt erstreckte. Das Erzbistum Köln mit den Bistümern Minden, Osnabrück,
Münster, Aachen, Utrecht und, teilweise oder gänzlich die Reichsgrenze nach Westen
überschreitend, Lüttich, Cambrai und Tournai; ferner Trier mit Metz, Toul und Verdun
als Suffraganen. Das Erzbistum Bremen / Hamburg mit Lübeck, Ratzeburg,
Schwerin; Magdeburg und Havelberg, Brandenburg, Merseburg, Meißen und
Naumburg. Das Erzbistum Salzburg mit den Bistümern Regensburg, Passau,
Freising, Brixen, Gurk und den jüngeren Gründungen in Seckau und Lavant. Eine
Sonderstellung als exemte, also keinem Erzbischof unterstellten Bistümer nahmen
Bamberg und Kammin ein, und eine ähnliche Sonderrolle spielte die Abtei Fulda. Das
Erzbistum Besancon und seine Suffragane Basel und Lausanne deckten sich
ungefähr mit dem Nordteil des Königreiches Arelat. Im Königreich Italien waren fast
alle aus der Spätantike stammenden Städte zumeist auch Bischofssitz. Hier soll es
genügen, für den Süden, nur die Kirchenprovinzen zu benennen: Tarentaise, Vienne,
Aix und Arles für Burgund sowie Mailand, Genua, Ravenna, Pisa, des exemtem
Bistums Pavia und des durch die Patriarchenwürde hervorgehobene Aquilieja für das
Königreich Italien. Rom, die Diözese des Ersten der Bischöfe und zugleich Sitz des
Imperiums, bildete, durch das Patrimonium Petri eine eigene Kirchenprovinz.
Aber Kirchenverfassung, Bistumsorganisationen, nicht einmal die unteren Ebenen der
Pfarreien allein machen die Kirche aus. Die Mobilität jener Zeit schlug in der Kirche
der Gläubigen, bei den einzelnen Menschen in Unruhe, Aberglauben und Angst um.
Sie bildeten religiöse Bewegungen in und aus allen sozialen Schichten; ein
Charakteristikum dieser häufig als Ketzer verfolgten Gruppen war der
überdurchschnittlich hohe Anteil von Frauen, vor allem in Oberdeutschland, am Rhein,
in den Alpengebieten, in Oberitalien und Südfrankreich. Damals schon, klagte man
gegen Dogmen, Riten, formale Hierarchie und über mangelnde Seelsorge. Die
Beschwerden reichen schon in die Zeit von vor 1200 zurück aber um 1200 und seit
dem 13. Jahrhundert nahmen sie an Häufigkeit und Heftigkeit zu. Es gab viele
religiöse Bewegungen, die nicht nur Kirchen- sondern auch soziale Reformen fordern.
Manche dieser Bewegungen sind ohne massenpsychologische Kategorien nicht zu
erklären, so vor allem nicht die Flagellanten oder Geißler, welche seit dem 13.
Jahrhundert die Lande durchzogen.
Zur gleichen Zeit hört man den Ruf nach dem Engelspapst, nach dem einfachen,
armen, schlichten Oberhirten ohne politischen oder juristisch-gelehrtem Ehrgeiz: "ein
heiliger Mann" soll es sein, ein Vater der Armen, den Gott erleuchten wird; ein
auserwähltes Gefäß, der die Schätze der Erde verachten wird, ein Schrecken allen
Gewinnsüchtigen, nicht nach eigenem Ruhm strebend, sondern nur nach der Ehre
Gottes. Er wird - so hofft man - "der Welt den Frieden schenken, Jerusalem
zurückgewinnen und das Grab des Herrn von den Ungläubigen befreien".
Kirche um 1200 und im 13. Jahrhundert - das heißt: machtvolle Politik, inbrünstige
Frömmigkeit, neue Orden, in jedem Fall ein Spannungsverhältnis zwischen geistlicher
Intensität und weltlicher Aktivität.
Allgemeine Einführung:
Die Intensität des religiösen Lebens erfasste im 12. Jahrhunderts neben den
Ordensgeistlichen auch den Weltklerus. Das gemeinsame Leben nach einer
bestimmten Regel wurde ein Ideal für die Seelsorger und konnte auch den höheren
Klerus für eine Reform gewinnen. Unter dem Schutz der Päpste bildeten sich so
zahlreiche, miteinander höchstens lose verbundene Gemeinschaften, deren Stifte unter
den Bischöfen standen. Auch einzelne Benediktiner- und Benediktinerinnenklöster
wandelten sich zu Stiften um. Die Augustiner - Chorherrenstifte pflegten in der ersten
staufischen Zeit oftmals eine eigene, von der aufkommenden Scholastik, noch
unbeeinflusste Theologie.
Der Mensch im Mittelalter definierte sich über den Glauben, bzw. über seinen -
glaubensbedingten - Platz in der göttlichen Ordnung. Dieses war im Abendland in aller
Regel der christliche Glaube. Das Alltagsleben war von der Religiosität durchdrungen,
was sich unter anderem in häufigem Gebet, in Alltagshandlungen - wie Grußformeln
und sonstiger Bezugnahme auf religiöse Elemente, Heiligenkult, »Bilderstöcken« usw.
ausdrückte. Dem »Geistlichen« (in jeglicher Gestalt), wurde Verehrung und
Hochachtung entgegengebracht.
Hierarchie und Struktur
Bei den Weltgeistlichen finden wir eine erstaunlich breite Palette von Ausprägungen
vor: Angefangen beim »Einfache - Leute - Priester«, dem »kleinen Dorfgeistlichen«, der
eine vom Grundherrn unterhaltene Eigenkirche versorgte. Der Dorfgeistliche war in der
Regel schlecht ausgebildet und verstand es gerade die elementarsten liturgischen
Handlungen vorzunehmen. Es handelt sich oft um einen einfachen Mann, der in seiner
Kindheit eventuell als Ministrant bei der Eucharistiefeier geholfen hat und
anschließend, nach einigen Unterweisungen in sein Amt entlassen wurde. Unfreie,
konnten sich mit der Erlaubnis ihres Grundherrn, einem geistlichen Amt zuwenden und
dienten ihrem Eigenkirchenherrn dann als Hauspriester. Ihr Sozialprestige lag dann
erheblich über dem der einfachen Hörigen. Oft war das Priesteramt mit der Freiheit
verbunden. Bei der Einsetzung eines Pfarrers in die Eigenkirche des Grundherrn war
dessen Zustimmung notwendig. Der Grundherr übte das Patronatsrecht über die
Eigenkirche aus.
Die städtischen Stiftskanoniker konnte, falls sie nicht gemäß den ursprünglichen
Regeln (als regulierter Chorherren) in einer Stiftsgemeinschaft lebten, in der Stadt ein
großes Haus mit Gesinde bewohnen und von seelsorgerischen Aufgaben praktisch
ganz freigestellt sein.
Die Bischöfe stehen neben den Herrschern des Reiches. Sie sind beinahe Teilhaber
ihrer Macht; belehnt mit den Gebieten ihrer Hochstifte, leben sie einen großen Teil des
Jahres am Hof. Sie sind an der Wahl des Königs mitbeteiligt, sie salben und krönen
ihn, sie sind die Ratgeber und Kanzler der Herrscher. Die Bischöfe sind Diplomaten,
Heerführer und Geschichtsschreiber ihrer Herrscher. Ihre Stellung im Reich wird immer
einflussreicher, schließlich wird sie verfassungsrechtlich abgesichert. Friedrich II. muss
ihnen für die Wahl seines Sohnes Heinrich (VII.) zum deutschen König in den
Privilegienbriefen von 1220 so viele Rechte einräumen, dass sie nunmehr den
weltlichen Fürsten im Reich gleichgestellt sind. Aus den »Reichsbischöfen« werden die
»Geistlichen Fürsten«. Engelbert von Berg, der Erzbischof von Köln, wird vom Kaiser
zum Vormund seines Sohnes und zum Reichsverweser bestellt. Im Denken der Zeit
fielen Ausbreitung des Reiches und Verbreitung des Evangeliums, christliche Mission
und neue Organisation der Kirche zusammen. In der Missionierung des Ostens fand
der Deutsche Orden eine neue Aufgabe. Die Bistümer waren für die Seelsorge der
dorthin zahlreich eingewanderten deutschen Bauern verantwortlich. Neben den
Bischöfen hatten die Äbte, die Reichsäbte vor allem, die Klöster und die Orden ihren
festen Platz im Gefüge des »Heiligen Römischen Reiches«.
Bei den hohen geistlichen Würdenträgern, geriet, neben ihren vielen politischen und
wirtschaftlichen Aufgaben, das geistliche Amt oft zu einer Nebensache. An den großen
kirchlichen Feiertagen, hielt jedoch in der Regel ein Erzbischof den Gottesdienst für
die Herrscherfamilie. Da für den hohen Klerus der Zölibat galt, hatten sie keine
Nachkommen, zumindest keine legitimen. Die Nachfolge bei hohen Kirchenämtern
musste immer wieder neu bestimmt werden; zwar besaßen die Domkapitel ein
formelles Wahlrecht, nahmen es jedoch mit letzter Entschiedenheit nicht wahr.
Maßgeblich blieb der Personalvorschlag des weltlichen Herrschers.
»Hohe Kleriker«, entstammten dem Hochadel und hielten Hof wie Fürsten. Sie vertraten
die »Ekklesia triumphans«, die triumphierende Kirche. Die Macht, also auch die
geistliche Macht, wurde über Insignien und Darstellung nach Außen auch durch
aufwendige, prunkvolle Kleidung zur Schau gestellt. Bischofskirchen und Domschätze
vermitteln einen eindrucksvollen Eindruck der Pracht, die der Hohe Klerus entfaltete.
Von besonderer Bedeutung ist auch die enge Verzahnung von Adel und Amtskirche.
Es wird kaum eine adlige Familie gegeben haben, die nicht mindestens eines ihrer
Mitglieder im kirchlichen Dienst untergebracht hatte.
Bei den Geistlichen in Klöstern, sowie in Dom- und Stiftskirchen kann davon
ausgegangen werden, dass sie adliger Abstammung waren.
Die Kirche als Inhaber grundherrlichen Gewalt
Die Inhaber grundherrlicher Gewalt gehörten unterschiedlichen sozialen Schichten an
und haben auch eine höchst unterschiedliche gesellschaftliche Position inne. Als
Grundherr treten hohe kirchliche Würdenträger wie Erzbischöfe und Bischöfe, Äbte
und Äbtissinnen, aber auch Domherren, Stiftsgeistliche und Pfarrer, sowie geistliche
Korporationen verschiedener Art in Erscheinung.
Ein beträchtlicher Teil des gesamten Grund und Boden gehörte zur kirchlichen
Grundherrschaft. Es wäre jedoch eine zu starke Vereinfachung, die Kirche als den
größten Grundherrn zu bezeichnen. Der kirchliche Grundbesitz bildete keine wirkliche
Einheit, sondern unterlag der Verfügungsgewalt der einzelnen kirchlichen Institutionen.
Bischöfe und Domkapitel, Klöster und Stifte, Kirchen und Kapellen besaßen
Grundbesitz. Die einzelnen kirchlichen Grundherrschaften standen untereinander im
allgemeinen in keinem wirtschaftlich-organisatorischen Zusammenhang.
Die Anfänge des kirchlichen Grundbesitzes reichen bis in die Spätantike zurück. In
merowingischer und karolingischer Zeit wuchs der kirchliche Grundbesitz durch
Schenkungen stark an. Auch in späterer Zeit wurde der kirchliche Grundbesitz ständig
vergrößert. Im hohen Mittelalter kamen viele neue Kirchen, Klöster und
Ordensniederlassungen hinzu, die zwar an Reichtum selten mit den alten Bistümern
und Klöstern wetteifern konnten, aber doch über mehr oder weniger ausgedehnten
Grundbesitz verfügten und durch ihre große Zahl und weite Verbreitung ins Gewicht
fielen.
Erwerb und wirtschaftliche Nutzung von Grundbesitz waren für die Kirchen zur
Sicherung ihrer Existenz und Funktionsfähigkeit unerlässlich, denn Einnahmen
kirchlicher Provenienz, wie Gebühren für geistliche Handlungen, Spenden, Ablässe
und Zehnten, standen nur in einem begrenzten Umfang zur Verfügung. Vor allem der
Kirchenzehnt, der nach kanonischem Recht zu gleichen Teilen für den Bischof, den
Pfarrer, die Armen und die Instandhaltung der Kirchen verwendet werden sollte, wurde
oft von weltlichen Mächten in Anspruch genommen.
Primär dienten die Einkünfte der Kirchen, die in der Regel zum größten Teil
grundherrlichen Ursprungs waren, zur Ernährung und Bekleidung der Geistlichkeit, der
Mönche und Nonnen und der Laien, die im dienste der Kirche standen, ferner zur
Anschaffung der notwendigen Gebrauchsgegenstände, der Gewänder und
Gerätschaften, zum Ankauf oder Anfertigung von Büchern usw. Große Kosten
verursachten die Errichtung und Instandhaltung der Kirchen und anderer Gebäude, die
Ausschmückung und Beleuchtung der Gotteshäuser. Nicht selten bestanden auch
enge Beziehungen zwischen kirchlicher Grundherrschaft, Mission und Seelsorge, denn
vielfach erhielten Bistümer und Klöster Grundbesitz zum Zwecke der Missionierung
und der Übernahme seelsorgerischer Funktionen.
Ein wichtiger Bereich war die Erfüllung karitativer Aufgaben durch die Errichtung von
Hospitälern und Herbergen, die Versorgung von Armen und Kranken, Witwen und
Waisen, die Aufnahme von Pilgern, die Milderung von Hungersnöten und anderen
Katastrophen oder die Aufnahme von Findelkindern.
Geistliche und weltliche Funktionen waren im Mittelalter vielfach eng miteinander
verbunden. Bischöfe und Äbte wurden besonders bis zum Investiturstreit für
staatlich-politische Zwecke eingesetzt, und nicht wenige Bischöfe und Äbte waren
mehr Politiker als Hirten ihrer Herde und setzten die Einkünfte ihrer Kirchen im Dienste
des Königs oder für eigene machtpolitische Ziele ein. Der König hatte das Recht, die
Bischofssitze und die Reichsabteien aufzusuchen, dort Herberge und Gastung in
Anspruch zu nehmen, Abgaben zu erheben und Waffenhilfe zu fordern (servitium
regis). Um diesen Anforderungen entsprechen und sich gegen rivalisierende weltliche
und geistliche Herren behaupten zu können, nutzten Bischöfe und Äbte die Institution
des Benefizialwesens, um sich ein ritterliches Gefolge zu schaffen. Kirchlicher
Grundbesitz wurde als Lehen an Vasallen und Ministeriale vergeben.
Die kirchliche Grundherrschaft wurde von unfreien, minderfreien und freien Bauern
(Hintersassen, Grundholden), die zu einer »Familia« zusammengefasst waren,
bewirtschaftet.
Die Gliederung des Bistum
Die Belastungen des Bischofs mit weltlichen Aufgaben führte dazu, dass die
Verwaltung und die geistlichen Aufgaben in der Diözese neu geregelt werden
mussten. Es wurde das System der Dekanate entwickelt, der geistlichen
Zehntschaften, der Zusammenfassung einer Anzahl von Pfarreien unter einem Priester
(Pfarrer) als Dekan. Größerer Bezirke wurden zusammengefasst und von
Archipresbytern (Erzpriestern) oder vornehmlich von Archidiakonen geleitet. Der
Archidiakon war der erste Diakon der Bischofskirche. Den Archdiakonen gelang es
immer mehr Rechte an sich zu bringen. Wesentlich waren zwei: die Einführung der
Geistlichen in ihr Amt, daher auch die Prüfung ihrer Eignung und die Aufsicht über sie,
und das Sendgericht, die Beaufsichtigung der Erfüllung der sittlichen und kirchlichen
Pflichten bei Laien und Klerus. Die Ämter des Dekan und Archidiakon wurde in der
Regel mit herausragenden Geistlichen besetzt und war dazu eine Quelle fester
Einnahmen. Der Propst eines Domes oder der Domdechant oder auch die Pröpste
von Stiftskirchen waren oft auch Inhaber des Archidiakonats. Im 13. Jahrhundert hatte
sich diese Ordnung fest etabliert.
Die Diözesansynoden, die im christlichen Altertum und im frühen Mittelalter eine große
Rolle spielten, bestanden auch im hohen Mittelalter weiter.
Stadtpfarreien
Vielgestaltig waren die kirchlichen Rechtsverhältnisse in den Städten. Hier
entwickelten sich Pfarreien um die Bischofskirchen, um alte Stiftskirchen oder um
Abteien, deren Aufgabe es war für die Pfarrei zu sorgen. In der mittelalterlichen
Ordnung sollte jeder seinen festen Platz einnehmen, so das entweder bestimmte Teile
einer solchen Kirche für den Pfarrgottesdienst der auf dem Eigengebiet der
betreffenden Kirche, der Immunität, oder auch in der Nachbarschaft wohnenden
Stadtbürger reserviert wurden oder dass eine besondere, gewöhnlich bescheidene
Kirche für den Pfarrgottesdienst in der Nähe errichtet wurde. Über diese Kirche hatten
der Stift oder die Abtei das Patronat mit seinen Rechten und Pflichten. Wenn aber die
Bürger sich aus eigenen Mitteln Pfarrkirchen erbautem, so war es selbstverständlich,
das Patronat der Kirche selbst in Anspruch nehmen, mit dem Recht, die an der Kirche
angestellten Geistlichen, die Pfarrer, eventuell auch Vikare, auszuwählen und den
Bischof zur Einweisung in ihre Pfründe zu präsentieren, sowie die Aufsicht über die
Verwaltung des Pfarrgutes. Die Eingesessenen der Stifts- und Klosterpfarreien, ruhten
oft nicht eher, bis ihnen wenigstens ein Teil dieser Rechte bewilligt wurde, vor allem
eine Mitwirkung an der Bestellung der Geistlichen. Etwas Analoges geschah, wenn
städtische Korporationen oder auch einzelne Familien Altarpfründen stifteten oder
wenn besondere Kapellen mit eigenen Geistlichen gegründet wurden. So erwuchs in
den Städten ein Klerus, der in vielfacher Weise mit der Bürgerschaft verbunden und
von ihr abhängig war. Indem er an der Freiheit der Stadtbürger teilhatte und an alldem,
was den Bürgerstand hob, war er auch selbst entsprechend gehoben. Das machte
sich auch in der Bildung des städtischen Klerus bemerkbar, zumal ihn nicht selten in
den Stiften gute Schulen offen standen. Wesentlich ist, dass ein städtischer Klerus von
eigenen Gepräge heranwuchs. Im 13. Jahrhundert wurde das Bild der städtischen
Seelsorge durch das Hinzukommen der Bettelorden, die sich vor allem in den Städten
niederließen, ganz neue Züge bekommen.
Unterschiede: Ordens- und Weltgeistlichen
Ordensgeistliche, sowohl die eremitisch als auch die zönobitisch (gemeinschaftlich)
lebenden Mönche und Priester, lebten kontemplativ und von der Außenwelt relativ
abgeschlossen. Weltabgeschieden strebten sie nach christlicher Vollkommenheit und
waren Vorbild nicht zuletzt durch asketische Selbstbestätigung. Sie waren einer
Ordensregel und einem festen Tagesablauf unterworfen.
Im Mönchtum (Koinobitentum) wird ein gemeinsames Leben unter einem Dach und
hinter einer Mauer, mit straffer Lebensführung, die in einer Klosterregel vorgegeben
ist, geführt. Die Klosterregel fordert: "Unbedingter gehorsam gegenüber den
Klosteroberen, Verzicht auf Privatvermögen, Eintritt auf Lebenszeit, Unterordnung
unter einen vorgeschriebenen Tagesablauf im Wechsel von geistigen Übungen und
manuellen Gemeinschaftsarbeiten". Das Eremitentum, sei es in gemäßigter Form
oder in seiner exzentrischen Inklusen - Form, ist ein Phänomen monastischen
Erneuerungsstreben, das zu den Ursprüngen des Mönchtums zurückkehren wollte.
Von allen geistlichen Orden haben sich vor dem 13. Jahrhundert nur die
Prämonstratenser mit aktiver Seelsorge und Verkündung befasst. Clemens III.
gestattet ihnen bereits seit 1188 die Übernahme von Pfarreien.
Im Zusammenhang mit der Armutsbewegung entstanden die neuen Bettelorden im 13.
Jahrhundert (Franziskaner, Dominikaner, Augustiner-Eremiten, Karmeliten). Sie
verzichten auf gemeinsamen Besitz und leben vom Lohn ihrer Arbeit wie auch vom
Betteln (Mendikanten = Bettler). Infolge ihres Einsatzes in der praktischen Seelsorge,
vorwiegend in den Städten betrieben, die aufgrund päpstlicher Privilegien gestattet
war, kam es zu zahlreichen Konflikten mit Weltgeistlichen. Im Gegensatz zu den
monastischen Orden verzichten die »Bettelorden« auf die Ortsgebundenheit (stabilitas
loci) ihrer Mitglieder.
Alle anderen Geistlichen (Priesterschaft und Episkopat) waren »Weltgeistliche«, da sie
in der Welt (saeculum) lebten und sind einer Diözese, (einem Bistum) oder einer
ähnlichen kirchlichen Gebietskörperschaft zugeordnet. Entgegen dem
Ordensgeistlichen betreiben sie, bis zum Aufkommen der Bettelorden, alleine die
Seelsorge und Spenden die Sakramente. Sie scheinen an keinen festen Tagesablauf
gebunden zu sein.
Der Klerikerbegriff:
Noch im 12. Jahrhundert zielte der Pfaffen- oder Klerikerbegriff eher auf die
Beschreibung des Bildungszustandes (also ein litteratus - ein Schriftkundiger zu sein)
als primär auf die Weihe als Priester. So firmieren verschiedene mittelhochdeutsche
Dichter unter der Bezeichnung »Pfaffe«, obwohl sie eindeutig aus nicht geistlichen
Bezügen stammen.
Der Klerus, die Gesamtheit der Kleriker oder Geistlichen, treten mit der
Diakonatsweihe in den Stand der Kleriker ein. Jeder Kleriker muss einer Diözese
oder einer Klostergenossenschaft angehören und ist zu Zölibat und Stundengebet
sowie zum Gehorsam gegen seine kirchlichen Oberen verpflichtet. Der mittelalterliche
Kleriker ist nicht mit dem Priester gleichzusetzen. Kleriker war schon derjenige, der
durch die kirchliche Zulassung zum geistlichen Gewand in den Stand eintrat und eine
»niedere Weihe« empfangen hatte.
Der Eintritt in den Stand der Kleriker war so begehrt (auch ohne jedes Verlangen
Priester zu werden), da man Anteil an den Standesvorrechten hatte: Es war das
Vorrecht des geistlichen Gerichtsstandes mit dem verstärkten Schutz vor Gewalttaten,
und der Umstand, dass das höhere Studium als Sache des Klerikers galt, die Kleriker
also eine zur geistigen Führung berufene Schicht waren.
Geistliche jeden Ranges zeichneten sich durch die Tonsur, einem kleinen runden
Haarausschnitt auf dem Scheitel aus.
Zölibat (lat. caelebs = unverheiratet)
Im Jahre 1139 wurde auf der Lateransynode das Zölibat durchgesetzt. Priester durften
nun nicht mehr heiraten. Für alle Weihegrade oberhalb des Subdiakonats - Diakone,
Priester, Bischöfe -, galt das Zölibat. Die Forderung der Enthaltsamkeit galt jedoch
nicht für Altardiener; wer die heiligen Gefäße nicht berührte, brauchte sich nicht zu
enthalten.
In der Ostkirche wurden keine täglichen eucharistischen Gottesdienste angeboten, so
bestand auch kein Anlass für die Altardiener ständige Enthaltsamkeit zu fordern, der
Beischlaf war nur für die Tage des Altardienstes untersagt. Dem orthodoxen Popen
steht deshalb die Ehe frei.
Pfründe
Unter einer Pfründe verstand man ein geistliches Amt, das Anspruch auf Abgaben der
Gläubigen enthielt. Das Amt war mit einer Vermögensausstattung, Land und laufende
Einnahmen ausgestattet. Diese Einnahmen bestanden aus Abgaben der Bevölkerung,
den »Zehnt«. Der zehnte Teil aller Einkünfte war an die an die Kirche zu entrichten. Des
weiteren auch Gebühren für Taufe, Heirat, Beerdigungen etc. Der Zehnt bildete die
Lebensgrundlage der Geistlichen.
Die Einnahmen der Pfründe oder eines kirchlichen Benefiziums konnten von
unterschiedlichem Umfang sein.
Die Ausbildung des Geistlichen
Die Ausbildung der »Unterschicht« der Weltgeistlichen vollzog sich im Normalfall durch
eine Art Lehre bei den Ortspfarrern, die auch geeignete Kandidaten, schon im
Kindesalter, aus den Familien auswählten. Ansonsten wird er häufig seine Bildung in
einer »Pfarrschule« erlangt haben. Die besser ausgebildeten Pfarrstelleninhaber haben
vermutlich eine Klosterbildung erhalten.
Für die breitere Bildung der Geistlichkeit gilt folgendes: "Im Laufe des 9. und 10.
Jahrhunderts schaffen und unterhalten die Klöster sowohl eine innere als auch eine
äußere Schule, wobei die eine der Ausbildung der künftigen Mönche und die andere
der Ausbildung der Laien und des weltlichen Klerus dient». Allerdings lässt sich «...
sicherlich von 800 bis 1100 von einem Vorherrschen der klösterlichen Bildung
sprechen, während danach die Dom-, Kathedral-, Stifts-, und zuletzt die Pfarrschulen
an Bedeutung gewinnen. Pfarrschulenbildung wurde durch den Pfarrer, der die
Pfarrstelle in der Gemeinde innehatte, vermittelt.
Nur die größeren Städte leisteten sich Domschulen mit einem geregelten
Ausbildungsgang. Die Domschulen bildeten wahrscheinlich eher für ihren eigenen
Bedarf aus.
In den Domschulen sollten künftige Bischöfe, Priester und Lehrer für die umliegenden
Bistümer ausgebildet werden. Die Leiter der Domschulen waren oftmals angesehene
Gelehrte des Reiches.
Weltgeistliche mit universitärer Bildung dürften im 13. Jahrhundert im deutschen
Sprachraum nahezu gar nicht ins Gewicht fallen. Personen mit universitärer
(geistlicher) Bildung hat es dann eher unter den großstädtischen Pfarrern und
Kanzlisten gegeben. Als ein Beispiel mag der Dominikaner Albertus Magnus - "Albert
der Große" gelten.
Die Aufgaben
Zu den Aufgaben des Weltklerus (des Priesters) gehört das Spenden der
Sakramente. Seit dem 12. Jahrhundert steht eine Siebenzahl dieser, zwischen einem
Spender und einem Empfänger vollzogenen, Kulthandlung fest. Taufe und Firmung
dienen der übernatürlichen Heiligung. Die Bußsakramente (Beichte) und
Krankensalbung oder auch die letzte Ölung dienen der Vergebung der Sünden. Die
Priesterweihe und Eheschließung schließlich, dienen dem übernatürlichen
Gemeinschaftsleben, während die Eucharistie, die zentrale Kulthandlung der
Kirchengemeinschaft ist.
Die Geistlichen bedienen sich religiöser Zeichen und Handlungen, der Segnung und
der Salbung. Fürbittgebete sollen den Empfängern die Gnade Gottes vermitteln. Als
Sakramentarien werden geweihte Gegenstände wie Altar und Kelch verwendet und
des weiteren auch »heilige« Öle und »Weihwasser«.
Alltagsleben
Die Versorgung der »Unterschicht« der Kleriker, der »pauperes«, wurde in den kleinen
Pfarreien durch Eigenanbau gewährleistet. Auf dem Pfarrland, das oft nur der Größe
einer (weniger) Hufe(n) entsprach, wurden je nach Region, Gärten mit Kohl-, Gemüse-,
Weinanbau, eventuell Obstbäume und Getreidefelder angelegt. Missernten trafen den
Pfarrer ebenso wie die Gemeinde. Einnahmen an Naturalien konnten auch aus einer
kleinen Pfründe stammen. Geflügel- und Kleintierhaltung ist anzunehmen aber nicht
nachweisbar. Fische wurden aus den umliegenden Gewässern gefischt. Eine weitere
Versorgung kam als Hilfe aus der Bevölkerung.
Oft lebten die Kleriker der »Unterschicht« in drückender Armut.
Die »Oberschicht« der Geistlichen entstammte in der Regel dem Adel und führte
dagegen einen aufwendigen, höfischen Lebensstil.
Fraglos bestand bei der priesterlichen Lebensführung ein Unterschied zwischen Stadt
und Land. In fast allen Ländern lebten die Landpriester mit Frauen zusammen,
entweder im Konkubinat oder in einer regelrechten Ehe. Das Konkubinat eines
Bischofs, Stiftsherren oder Mönches empfand man wohl allgemein als untragbar, bei
den Landpriestern dagegen wurde es weitgehend geduldet. Ihre niedere Herkunft,
unzulängliche theologische und spirituelle Ausbildung, eine sehr begrenzte Aufsicht
durch die kirchlichen Oberen, die bäuerliche, ohne frauliche Hilfe schwer durchführbare
Lebensweise - alle diese Umstände hatten dazu beigetragen, die Landpriester von
der Zölibatsidee fernzuhalten, bis sie ihnen aufgezwungen wurde.
Bis ins 12. Jahrhundert werden Pfarrersfrauen ohne Abwertung in der Gesellschaft
aufgenommen. Ihre Zahl und Duldung ist jedoch zeit- und Regionsweise
unterschiedlich. Klerikerfrauen oder Bischofstöchter werden in der Regel ohne Rechts-
und Standesminderung in verschiedenen Urkunden erwähnt. Nach der Durchsetzung
des Zölibats werden Frauen von Priestern als Konkubinen mit verminderten
Rechtsstatus betrachtet. Priesterkinder sind als Zeichen doppelter Sünde rechtlich
stark benachteiligt worden: als servi ecclesiae gehörten sie zum Kirchenvermögen.
Der Kirchenvogt Vogt - (ahd. fogat) lat. advocatus advocare: herbei-, anrufen.
Im Mittelalter war es den Geistlichen verboten, sich um weltliche Dinge zu kümmern,
beispielweise die Vertretung vor Gericht und die Verwaltung von Kirchengut. Deshalb
musste ein Vogt, also ein Laie, die Kirche oder das Kloster in diesen Angelegenheiten
nach außen vertreten. Er hatte deshalb großen Einfluss auf die Klöster und Stifte, der
sich noch steigerte, als die Kirche im 10. und 11. Jahrhundert Immunitäten (d.h. das
Recht, staatliche Funktionen vor allem als Gerichtsherr auszuüben) bekamen: Die
Vögte konnten dann auch noch die Gerichtsbarkeit ausüben. Das Amt wurde vom 9.
Jahrhundert an zum erblichen Lehen, das oft missbraucht wurde: Vögte hatten ein
Recht auf Abgaben, die sie oft mit harter Hand einzogen.
Im Zuge verschiedener Kirchenreformen war die Entvogtung eine der
Haupt-forderungen verschiedener Klöster und Kirchen an die Eigenkirchenherrn.
Hofgeistliche
Über die Hofgeistlichen wirkte die Kirche entscheidend auf die höfische Gesellschaft
ein; nahm Einfluss auf die Entwicklung höfischer Regularien, auf die Normen und Sitten
an den Höfen.
Die Hofkleriker nahmen eine Fülle verschiedener Aufgaben war; der Hofarzt war in der
Regel ebenso Kapellan wie der Hofarchitekt und der Prinzenerzieher, und auch die
diplomatischen Missionen wurden vielfach Angehörigen des geistlichen Standes
übertragen. Das Personal der Hofkapelle (die Gemeinschaft der Hofgeistlichen) war
zum Teil identisch mit dem der Kanzlei, den Notaren und Schreibern, in deren Händen,
unter der Leitung des Kanzlers, der gesamte Schriftverkehr des Hofes lag".
Bei den Hofgeistlichen ist ebenfalls von klösterlicher Bildung auszugehen. Dies
bedeutet, dass die »Hofkapelle« aus den 'Schulen' der Klöster - insbesondere der
Hausklöster - der Adligen, akquiriert wurde. Es kann davon ausgegangen werden das
die Geistlichen, die für den Dienst am Hofe bestimmt waren, gar nicht unbedingt mehr
in die klösterliche Gemeinschaft aufgenommen wurden, sondern vorher einen Dispens
bekamen, der aber auch zu einem späteren Zeitpunkt erteilt werden konnte.
Oft gab es im 13. Jahrhundert enge räumliche Verbindungen zwischen Hof und Stift
bzw. Kloster.
Hausklöster, nannte man Klöster, die auf dem Grundbesitz der großen Adelsfamilien
gebaut wurden (auf ihrem Eigenbesitz) und über den diese Familien weltliche
Herrschaftsrechte, in Form der Vogtei behielten. Solche Klostergründungen dienten
nicht nur frommen Zwecken sonder waren neben den Burgenbau und der
Städtegründung, ein herrschaftliches Instrument zur Erschließung des Landes. Oft
befand sich das Grabgelege der Stifterfamilie in einen Hauskloster oder in einer
Stiftskirche. Die Geistlichen beteten für das Seelenheil der Verstorbenen und um das
Totengedächtnis lebendig erhalten
Aus den Hausklöstern stammten vielfach die Kappellane und Hofgeistlichen
(manchmal auch Ärzte, Architekten, Baumeister und Lehrer).
Mönche mit Funktionen an den Höfen wurden in der Regel von den Hausklöstern oder
den Stiftskirchen der Stifterfamilie übernommen.
Die Kanzlei
Im 12. Jahrhundert begann man zunehmend Rechtsakte schriftlich festzuhalten. Die
Entwicklung von Kanzleien begann am Königshof und wurde dann auch von den
geistlichen und weltlichen Fürsten übernommen.
Für die Einführung eines geregelten Schriftbetrieb
|