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wuming schrieb am 30.4. 2003 um 22:46:45 Uhr über

Ökosteuer



»Eine wirksame Medizin, die unterm Strich nichts kostet«

Craig Morris 29.04.2003

Ein Gespräch über die Vorurteile gegen und die Vorteile von der Ökosteuer

Preise sind nicht mit Kosten zu verwechseln. Diese einfache Formel wird mit der
Ökosteuer exemplarisch dargelegt. Denn während Energiepreise in den USA
niedriger als in Europa sind - Benzin etwa ist für rund die Hälfte zu haben -, geben
die Amerikaner am Ende nicht weniger für Energie aus, weil sie soviel Energie
verschwenden. Die Schieflage ist so groß, dass man fast von unlauterem Wettbewerb
sprechen könnte (siehe das Paper des Berliner "Global
Governance Project" vom März 2003). Craig Morris sprach für Telepolis mit Dr.
Anselm Görres, Vorsitzender des Fördervereins Ökologische Steuerreform (
FÖS).




Dr. Görres, die Ökosteuer ist ziemlich unbeliebt. Warum?


Anselm Görres: Sie ist eine wirksame Medizin, und als solche ist sie eben bitter und
nicht süß und bequem. Es liegt aber auch daran, dass die Menschen nicht verstehen, dass
sie die Ökosteuer letztlich an sich selbst bezahlen. Das heißt, sie kostet unterm Strich
nichts. Was sie für Benzin mehr bezahlen, kriegen sie zurück, wenn sie weniger
Lohnnebenkosten und Rentenversicherungsbeiträge haben. Und wir hätten ohne die
Ökosteuer mit Sicherheit eine höhere Mehrwertsteuer.


Man vergisst eben allzu schnell, dass die Steuern nicht weggeschmissenes Geld
sind, sondern irgendwo investiert werden.


Anselm Görres: Vollkommen richtig. Man muss den makro-ökonomischen Kreislauf
insgesamt sehen. Da bin ich enttäuscht, denn ich erwarte, dass wir so viel Intelligenz in
der öffentlichen Diskussion von Steuerthemen haben, dass der Einzelbürger nicht nur auf
den unmittelbaren, ersten Effekt - auf seinen Geldbeutel - schaut, sondern auch auf den
zweiten Effekt. Im zweiten Effekt kostet uns die Ökosteuer nichts. Im Gegenteil: Sie
entlastet uns sogar, weil wir weniger Rohöl importieren.








Würde der heutige durchschnittliche Kraftstoffverbrauch der amerikanischen Pkws
auf den Durchschnittsverbrauch der deutschen Pkws reduziert werden, so könnte
der derzeitige jährliche Erdölverbrauch von Afrika, China und Indien eingespart
werden ( Quelle).







Und trotzdem gibt es den wohl begründeten Vorwurf, dass die Lohnnebenkosten
eben nicht gesunken sind.


Anselm Görres: Ja, das ist richtig, und der Vorwurf ist berechtigt. Hier hat uns die
rot-grüne Koalition eine Strich durch die Rechnung gemacht, weil sie aus verständlichen
Gründen aber trotzdem zu Unrecht den Fehler gemacht hat, die
Rentenversicherungsbeiträge zu erhöhen. Das war katastrophal. Wir können keine
weitere Erhöhungen der Lohnnebenkosten vertragen, sondern wir brauchen eine
Senkung. Das Gute, was wir durch die Ökosteuer erreicht hatten, wurde dadurch wieder
zunichte gemacht.


Es gibt auch den Vorwurf aus den Reihen der Umweltaktivisten, dass diese
Ökosteuer gar keine sei, weil sie nicht zu Umweltzwecken verwendet wird.


Anselm Görres: Dazu sage ich immer, die Biersteuer ist auch nicht für die Biertrinker,
und die Vermögenssteuer auch nicht für die Vermögensbesitzer. Eine gute Umweltsteuer
vermindert umweltschädliches Verhalten, indem sie z.B. Energie so teuer macht, dass
die Leute weniger Energie verbrauchen. Trotzdem wird aus den Erträgen von der
Ökosteuer eine ganze Menge an direkten Fördermaßnahmen für die Umwelt finanziert -
z.B. Erneuerbare Energien werden subventioniert.


Gibt es eine direkte Zweckbindung?


Anselm Görres: Nein, aber ein Teil der Ökosteuererträge fließt in die Förderung der
Erneuerbaren Energie, um nur ein Beispiel zu nennen. Es gibt aber eine politische
Zweckbindung zwischen der Ökosteuer und den Lohnnebenkosten. Der Löwenanteil
wird zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet, und das finden wir richtig.





Um solche Programme [für Erneuerbare Energien und Einspartechnologien] zu
finanzieren, könnte man Öko-Steuereinnahmen in Höhe von 17 Milliarden Euro
umwidmen. Mit den Öko-Steuereinnahmen in Höhe von 17 Milliarden Euro
könnten in kurzer Zeit bis zu 650.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland
geschaffen werden. Dazu kommen indirekte Effekte, die für weitere Arbeitsplätze
sorgen ( Quelle).







Weil es keine neue Steuer geben soll? So wie das englischsprachige Motto lautet,
»tax the bads, not the goods« (zu deutsch: Nicht die Güter, sondern schlechte
Angewohnheiten besteuern). Man benutzt also das gesamte Steueraufkommen, um das
Verhalten der Bürger zu lenken, wobei die Höhe der Steuern insgesamt nicht beeinflusst
wird.


Anselm Görres: Ganz genau. Man möchte eine Lastverlagerung innerhalb des Systems.
Es muss möglich sein, innerhalb eines Prozesses, wo ich insgesamt versuche, weniger
Abgaben zu haben, auch noch von schlechten Abgaben auf gute Abgaben zu wechseln.


Die Ökosteuer ist also keine »neue« Steuer.


Anselm Görres: Keine Zusatzbelastung, sondern nur - und das ist der Pfiff dabei -
schlechte Steuern reduzieren und gute Steuern erhöhen. Schlechte Steuern sind Steuern
mit schlechter Wirkung, also hohe Arbeitslosigkeit zum Beispiel


Das wären neben Lohnnebenkosten auch die Mehrwertsteuer?


Anselm Görres: Die Mehrwertsteuer ist eine von den ganz schlechten Steuern. Die ist
nur bei den Politikern beliebt, weil der Bürger sie nicht merkt, weil sie in den Preisen
versteckt ist. Aber de facto zahlt sie der Bürger, und sie belastet den Faktor Arbeit -
wenn Sie z.B. einen Handwerker bezahlen. Und um den 16% MWSt zu entkommen,
flüchten manche in die Schwarzarbeit.


Im Grunde genommen hat es die Ökosteuer schon immer gegeben, denn die
Mineralölsteuer ist schon lange da und ist auch sehr hoch.


Anselm Görres: Das ist auch gut so. Da hat man schon früh gemerkt, dass dieser
Energiekonsum zu weiteren Kosten führt, nämlich Straßenbau usw.



Preise
von 2000
in
US-Dollar.
Wie man
sieht
liegen die
Energie-Preise
in der
BRD
unter dem
EU-Durchschnitt,
der
wiederum
weit über
dem
US-Durchschnitt
liegt. Die
Kosten
fürs
Militär
wurden
nicht
berücksichtigt.
Quelle:
"Implementing
the Kyoto
Protocol
Without
the United
States:
The
Strategic
Role of
Energy
Tax
Adjustments
at the
Border"






Ist diese Ökosteuer ein deutscher Sonderweg? Die Opposition hat behauptet, der
Diesel wird zu teuer, und die LKW-Fahrer werden von Polen nach Frankreich
durchfahren, ohne in Deutschland zu tanken.


Anselm Görres: Der einzige Sonderweg, den es in Europa gibt, ist die Neigung der
politischen Konservativen in Deutschland, die Industrie selbst bestimmen zu lassen, wie
viel Umweltschutz sie durch sogenannte »freiwillige Vereinbarungen« leisten möchte.
Das finden Sie in fast keinem anderen europäischen Land. Es gibt in England ähnliche
Elemente, die aber mit harten Instrumenten verbunden sind. Die deutsche Industrie
wünscht sich nichts sehnlicher, als dass die Regierung ihnen überlässt, wie sie für die
Umwelt tätig werden.





Deutschland ist z.B. das einzige Land in der EU ohne Regulierungsbehörde für
seine liberalisierten Energiemärkte. Am 24.3. - wenige Tage nach diesem
Gespräch - wurde jedoch beschlossen, nach 2003 eine Regulierungsbehörde für
den schon seit Jahren deregulierten Strommarkt zu gründen. Andere Länder wie
Österreich haben gleich zu Beginn der Liberalisierung eine solche Behörde ins
Leben gerufen, wie die österreichische E-Control GmbH -
CM.






Anders als oft behauptet wird ist die Ökosteuer heute die Regel in allen europäischen
Ländern. Just am 21. März wurde in Brüssel beschlossen, dass bestimmte
Mindeststeuersätze auf Energie erhoben werden, und zwar auch für die osteuropäischen
Länder. Mit einem Federstrich in Brüssel ist die Ökosteuer also in zehn osteuropäischen
Ländern eingeführt worden. Die Ökosteuer ist eine paneuropäische Tatsache. Einen
Sonderweg beschreiten eigentlich die, die sich ihr immer noch verschliessen.


Apropos deutscher Sonderweg - die letzte Frage muss natürlich das heute alles
bestimmende Thema betreffen, nämlich den Krieg. Gibt es für Sie eine Verbindung
zwischen Ökosteuer und Frieden?


Anselm Görres: Ja, und zwar mehrfach. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, die USA
würden diesen Krieg nur um des Öles willen führen. Das ist sicher nur ein Faktor unter
vielen, aber sicher ein wichtiger. Sofern es aber ein Grund ist, ist es ein falscher. Es
darf nicht sein, dass Kriege geführt werden, damit man grenzenlos Energie
verschwenden kann. Je mehr wir Industrieländer uns vom Rohöl abkoppeln, desto
weniger sind wir versucht, Ordnung in den Öl exportierenden Ländern zu schaffen, die
sie eigentlich selbst herstellen müssten.

Die zweite Verbindung ist, dass der Umweltschutz globaler Instrumente bedarf. Die
USA haben in den letzten Jahren an vielen Stellen ihre Verachtung für mühsam
geschaffene globale Instrumente an den Tag gelegt, sei es das Kyoto-Protokoll oder den
Internationalen Strafgerichtshof oder die neuerliche Geringschätzung der UNO. Wir
brauchen Respekt für die UNO. Das ist das einzige globale Instrument, das wir haben.
Und wir brauchen eine Stärkung der internationalen Institutionen, nicht nur um der
Umwelt, sonder auch um des Friedens willen.


Weitere Infos rund um die Ökosteuer können auf der FÖS-Webseite
nachgelesen werden. Einen deutschen sowie eine englischsprachigen Newsletter von FÖS
kann man abonnieren. Das Umweltbundesamt hat außerdem im
November 2002 die Studie »Ökosteuer - sparen oder zahlenals PDF ins Netz gestellt.
Dort wird gezeigt, wie man Geld durch die Ökosteuer sparen kann.
















Kommentare:
die welt der ökonomie (J-B-L, 30.4.2003 0:05)
Gute Steuern - Schlechte Steuern (bickerdyke, 29.4.2003 23:33)
Was für ein Unsinn! (Neonblack, 29.4.2003 23:28)
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