Hier ist ja bereits so viel Kinderkacke über TokioHotel geschrieben worden, aber wirklich inhaltlich hat sich kaum jemand mit dem Phänomen auseinandergesetzt, sowohl bei den Fans als auch bei den Hassern.
Der ganze frühpubertäre Teenierummel ist nicht das eigentliche Problem. Den hat's auch schon bei den Beatles gegeben. Nur: Die Beatles waren gut, sie waren vor allem richtungsweisend - und ganz entscheidend: sie konnten singen!
Das alles kann man von TokioHotel nicht sagen. Ihr »Gesang« ist einfach grauslig. In der Ex-DDR mussten Popsänger, die eine Karriere machen wollten, eine musikalische Ausbildung haben. Ob das richtig war oder nicht, darüber kann man streiten, aber eins steht fest: Es kam Qualität dabei raus. Nicht zufällig kommt der einzig erträgliche (bekannte) Deutschrock bis auf wenige Ausnahmen aus der DDR. Vergleicht doch bitte mal Karat oder die Puhdys oder meinetwegen auch die Prinzen mit TokioHotel. Fällt Euch was auf?
Selbst Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer muss man trotz fehlenden Gesangtalents noch zugute halten, dass wenigstens die Texte gut sind. Außerdem wurden und werden sie nicht massenhaft von kritiklosen Teenis vergöttert. Angeblich sollen doch die Texte von th so toll, so rebellisch sein. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und ein paar Lyrics überflogen. Ehrlich gesagt, sie kommen mir vor wie eine Ansammlung von Textbausteinen für das Teenie-Poesiealbum. Natürlich ist da irgendwie von Trennungsschmerz und Absturz und was-weiß-ich die Rede, aber doch irgendwie flach und austauschbar. Kritisch und rebellisch sind sie erst recht nicht! Auch hier wäre vielleicht mal ein Vergleich mit Karat oder den Ärzten (um mal eine andere Stilrichtung zu würdigen) angebracht.
Die Auseinandersetzung um th hat sich leider von den qualitativen Aspekten abgekoppelt. Es wird auf Kindergartenniveau gestritten, ob Bill »süß« oder Tom »schwul« ist - was weiß ich ... Die Jungs haben das Recht, so rumzulaufen wie sie gerne möchten oder meinetwegen auch schwul zu sein. Ich kann mich ohnehin nur wundern, wieso »schwul« immer noch ein Schimpfwort ist. Dass sie allerdings derartige Beschimpfungen auf sich ziehen, liegt möglicherweise daran, dass hinter ihrer Lebensweise vermutlich keine Botschaft steckt, sondern nur ein Reklamegag. Boy George oder Freddie Mercury oder die Village People waren schließlich auch schwul, aber vielleicht liegt der Unterschied darin, dass sie dazu gestanden haben.
Fassen wir zusammen: Th können nicht singen, schreiben flache austauschbare pseudokritische Texte, ihr Äußeres ist nur ein Modegag, und sie werden dafür von den Teenies abgöttisch verehrt.
Wie gesagt, auch die Beatles haben regelmäßig Pflaumenstürze ausgelöst. Aber sie waren auch musikalisch gut.
Sicher mag es allgemein befremdlich wirken, wenn sich 12-jährige Mädchen in irgendwelche angeblichen Superstars vergucken statt in den Nachbarsjungen. Vielleicht ist es ein Hormon-, vielleicht auch ein Bildungsproblem. Aber es ist nicht das eigentliche Problem.
Das eigentliche Problem, dass hier eine drittklassige Band nicht nur von den Massenmedien, sondern auch von Teenies euphorisch und kritiklos gehyped wird. Dass deswegen Kübel von Hohn und Spott über besagte Teenies ausgeschüttet werden, weil sie mit diesem Starkult andere belästigen, statt zur Schule zu gehen und erst einmal richtig Deutsch zu lernen, ist schon verständlich. Dass dieser Spott allerdings auch häufig wieder auf Teenie-Niveau und vor allem unter der Gürtellinie angesiedelt ist, naja, auch das scheint dann eher ein Bildungsproblem zu sein. Beides wirft ein ziemlich schlechtes Licht auf unsere Gesellschaft und ihre Urteilsfähigkeit.
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