| 
 
        
        DIE HISTORIE VON DEM EDLEN BALDUIN
        
        Balduin, der edle Knappe,
        stand hoch auf des Schlosses Zinne,
        sah hinunter zu der Klappe
        tief im Hof: zum Stall mit Rinne,
        
        wo die schlichten Knechte pissten.
        Ach, es durften Edelleute
        dort nicht hingehn: Eimerkisten,
        kunstvoll, gab's für Edelleute!
        
        Täglich blickte Stund um Stunde
        Balduin zum Hof hinunter,
        blickte sich die Augen wunde.
        Da sprach eines Tages munter
        
        Ritter Erwin, der sein Herr war:
        "Was geht vor in deinem Sinne?
        Du, ein Bursche keck und ehrbar -
        stets träumst traurig auf der Zinne!"
        
        Balduin, der edle Knappe,
        rief, von wildem Gram zerrissen:
        "Ich will auch mal in die Klappe,
        wo die schlichten Knechte pissen!
        
        Eimerkisten, kunstvoll, immer
        soll ich nehmen, da hinein fein
        pinkeln, vornehm, und noch schlimmer:
        stets muss ich dabei allein sein!"
        
        »Gut, es sei!« sprach Ritter Erwin,
        "Eil hinab! Ich selber werde
        balde hinter dir einherziehn,
        damit keiner dich gefährde!"
        
        Balduin, der edle Knappe,
        so befreit zu neuen Lüsten,
        sprang recht schleunig in die Klappe
        wo die schlichten Knechte pissten.
        
        Als mit neugierschwanken Lenden
        dann sein Herr kam zu der Rinne,
        rief ihm froh mit vollen Händen
        Balduin, gedenk der Zinne:
        
        "Ritter! Rechte Knappenziele
        sind nicht Ehre nur und Keckheit -
        glaubt's: Im schlichten Klappenspiele
        zeigt das Leben eine Speckseit' !"
        
        Und die schlichten Knechte nickten,
        die sich streckten, die sich bückten:
        und so spielten alle sachte:
        und die ganze Klappe lachte.
        
        Laut wie Heere von Verrückten,
        als dann
        gar ein Mönch kam und den Abendsegen brachte.
        
 
        
 Felix Rexhausen: Die Märchenklappe
        Allerlei Zwischenmännlichkeiten
        Geschichen Mären Reime
        
        Verlag rosa Winkel
 
  
 
 |