Zu Hause wurde ich mit herzlicher Liebe aufgenommen. Meine Zukunftspläne stießen auf gar keinen Widerstand. Ich hatte auch nicht mehr den Eindruck, daß meine Mutter das auswärtige Studium schmerzlich empfand. Als ich von meinen beiden Arbeiten berichtete, war Erna voll Bewunderung für diese selbständigen Leistungen. Ihre eigene Doktorarbeit kam ihr daneben wie ein Kinderspiel vor, da ihr die ganze Fragestellung fertig vorgelegt wurde und nur die Ausführung der Versuche ihr überlassen wurde. In dem alten Freundeskreis erregte meine wissenschaftliche Entwicklung einiges Aufsehen, ich wurde aber genau so wie früher „dazugerechnet“. Stern lud mich immer noch mit dem engsten Schülerkreis zusammen ein und zog mich heran, um eine große pädagogische Tagung und eine damit verbundene psychologische Ausstellung vorzubereiten. Im Mittelpunkt stand eine Auseinandersetzung zwischen Wyneken, der sein Ideal der Erziehung in Freien Schulgemeinden mit radikaler Entschiedenheit vertrat, und Stern, der sich in milderen Formen, aber nicht minder fest für die Familienerziehung einsetzte. Diesmal stand ich ganz auf seiner Seite. Wynekens düsteres Äußere, sein fanatischer Blick stießen mich ebenso ab wie seine Theorien, und die Wikkersdorfer Zöglinge, die er mitgebracht hatte, schienen mir in ihrer blinden Gefolgschaft kein vertrauenerweckendes Ergebnis der Erziehungskunst ihres Führers.
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