Obwohl sich Zen im Herzen einer der ältesten Traditionen der Menschheit, dem
Buddhismus, entwickelt hat, ist es weder eine Religion noch eine Philosophie.
Meister Deshimaru sagte, dass es »die Religion vor der Religion« sei, das heisst,
dass Zazen den dem Menschen angeborenen religiösen Geist weckt, ohne auf
irgendeinem Dogma zu beruhen.
Über die Religion und die Philosophie hinausgehend, ist Zen auch jenseits aller
Systeme und Ideologien, jenseits aller »Ismen« und geht selbst über den Buddhismus
hinaus. Es wendet sich unmittelbar ans Herz des Menschen, es ist die lebendige
Erfahrung und der schöpferische Impuls vor jeglichem Formalismus. Die Essenz
seiner Botschaft hat universelle Gültigkeit. Zen ist die Quelle einer Selbsterkenntnis,
die weit über die Unterschiede von Systemen, Wertvorstellungen, Nationen oder
Rassen hinausgeht.
Zazen ist die Erfahrung der Einheit vor jeglicher Dualität. Daher ist es schwierig,
darüber zu sprechen, denn die Sprache trennt, bewirkt einen Einschnitt in die
Wirklichkeit des Seienden. Und deshalb wird Zen nicht mittels Schriften
weitergegeben, sondern nur von Mensch zu Mensch, von Meister zu Schüler, von
»meinem Geist zu deinem Geist«.
Alle Human- und Naturwissenschaften beobachten den Menschen aus einem
besonderen Blickwinkel. Aber die Summe all dieser Betrachtungsweisen wird nie
einen lebendigen Menschen ergeben, denn ein menschliches Leben ist letztlich
jenseits aller denkbaren Analysen. Dieses »jenseits« ist das Leben, und das ist Zen.
Und so sagte Meister Deshimaru: "Wenn ihr dem Zen einen andern Namen geben
wollt, nennt es: Das Leben."
|