Schömberg war einmal wieder in einer der beiden Buchhandlungen, die es in der kleinen ostdeutschen Kleinstadt gab, in der er nun seit 2 Jahren lebte. Die Inhaberin war eine etwas matronenhaft wirkende Frau in Schömbergs Alter, deren lebhafte Freundlichkeit Schömberg immer etwas merkwürdig vorkam. Immerhin war sie weitaus fähiger, als ihre Konkurrenz an der anderen Seite der Marktstrasse - dort wartete man wochenlang auf marktgängige Titel. Schömberg wunderte sich, wie dieser Laden überleben konnte. Schömberg hatte sich mal wieder ein Büchlein von Arno Schmidt bestellt - »Seenlandschaft mit Pocahontas«. Angeblich hatte der Autor in den 50er Jahren deswegen sogar ein Verfahren wegen Pornographie bekommen, das dann aber eingestellt worden war. So stand es in der Wikipedia. Und nachdem ihm »Schwarze Spiegel« schon sehr gut gefallen hatte, beschloß Schömberg, an dem Autor »dran« zu bleiben. Und wieder wurde er nicht mit seinem Buch entlassen ohne den ortsüblichen kleinen Schwatz. Man hatte viel Zeit hier, und war verbindlich zueinander - selbst im Supermarkt tratschte man ein wenig mit den Frauen an der Kasse, und Schömberg, der darüber zunächst die Nase gerümpft hatte, traschte inzwischen lustig mit. »Sagen Sie mal ... wenn ich mal so neugierig sein darf ... was machen Sie eigentlich beruflich ... oder so ?« Nicht das Schömberg über diese Frage überrascht gewesen wäre. Sie war ihm schon öfters gestellt worden, und die Antwort »Frührentner« wurde allgemein akzeptiert. Schömberg fühlte einen jähen Reiz, eine geradezu erotische Versuchung, seine zwischenzeitliche Haupterwerbsquelle camsex zu »outen«, aber entschied sich dann in einem eben so jähen Anflug von Vernunft dafür, beim »Frührentner« zu bleiben. Von seiner Bluterkrankung konnte er ja viel erzählen - auch wenn ihn sein Arzt inzwischen »als geheilt entlassen« erklärt hatte.
|