Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Schömberg«
Die Leiche schrieb am 12.5. 2011 um 08:25:59 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
Vor ihm lag ein Buch von Friedrich-August von Hayek. Ein Begründer der neoliberalen Schule der Volkswirtschaft. Schömberg hatte es vor Jahren mal in einem Antiquariat entdeckt, gekauft und ins Regal gestellt. Als er noch bei der Bank war, kam er ja kaum zu anspruchsvoller Lektüre. Schließlich gab es da noch die Familie, das Haus, den Garten. Doch jetzt, ganz alleine in seiner 65-qm-Wohnung, dauernd arbeitsunfähig und auf seine Rente wartend, hatte er es sich wieder vorgenommen. Zeit hatte er ja genug, und der Schreibtisch am Fenster war ein schöner Platz zum lesen. Schömberg hatte immer im Sitzen, am Tisch gelesen - nur sehr wenig im Bett oder auf dem Sofa. Nun las er einige Seiten, legte das Buch auf den Tisch und sah auf den Aldi-Parkplatz vor seinem Fenster. Am Imbißstand hielten schon die ersten Männer Bierflaschen in der Hand, obschon es noch nicht Mittag war. Und Schömberg konnte sich schon nach wenigen Augenblicken nicht mehr daran erinnern, was der Inhalt der fünf, sechs Seiten gewesen war, die er gerade gelesen hatte. Er stützte den Kopf in beide Hände, und seufzte schwer. Er hätte gerne geweint - wenn er noch gewußt hätte, wie soetwas geht.
Die Leiche schrieb am 23.5. 2011 um 09:30:25 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Schömberg saß am Computer. Dauerhaft arbeitsunfähig krank, auf den Abschluß des endlosen Rentenverfahrens wartend, in einer kleinen Sozialwohnung anstelle des kompfortabelen Einfamilienhauses, daß er mit seiner Exfamilie bewohnt hatte - und klickte sich durchs internet. Er klickte sich zuerst nur spätabends und nachts durch die Sexseiten, dann auch schon am nachmittag und frühmorgens. Und irgendwann fuhr er mit der Regionalbahn in die nächste Kreisstadt, wo es einen Elektronik-Handel gab, und erwarb eine webcam. Er fühlte sich sehr merkwürdig dabei, wie früher, als er in der Videothek nach Pornofilmen schaute. Er meinte, jeder würde ihn ansehen und sich sein Teil über ihn denken. Schömbergs Hände zitterten leicht, als er an die Kasse trat. Doch der schon ergraute Herr an der Kasse benahm sich mit gelangweilter Routine. Schömberg war dankbar dafür. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, daß es im 21. Jahrhundert ausgesprochen normal war, eine webcam zu kaufen. Selbst die damit verbundene Anzüglichkeit war ja mittlerweile normal.
Die Leiche schrieb am 16.5. 2011 um 16:52:53 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Als Schömbergs Provisionskonto aus den Insidergeschäften mit Berresheim die 70.000 Euro überschritten hatte, bekam er Besuch von seinem Sohn Lars, der kurz vor seinem 18. Geburtstag stand. Er druckste ein wenig herum, entschuldigte sich vielmals, daß er seinen Vater solange nicht besucht hätte, versprach öfters zu kommen, beim Einkaufen und Saubermachen zu helfen. Schömberg erinnerte sich mit gelindem Ekel an den Besuch seiner Tochter und schwieg dazu. Er bemerkte aber, daß dem Jungen etwas auf dem Herzen lag. »Na Lars, was ist los?« Wortlos nahm Lars aus seiner Lederjacke einen gelben Briefumschlag. Die »Öffentliche Zustellung« enthielt eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zum Jugendschöffengericht - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht unerheblichen Mengen. »Soso.« sagte Schömberg und kämpfte mit seiner sozialethischen Verpflichtung zu Schuldvorwürfen einerseits, und seinem Bewußtsein von dem von ihm betriebenen Insidergeschäften andererseits. »Du brauchst wohl einen guten Anwalt ?« Lars hob den Kopf und sah Schömberg lange und warmherzig an. »Hilfst Du mir ?« Schömberg griff zu seinem Adressbuch. Er liebte diese altmodischen Fächerhäfte, und schlug ganz vorne beim ersten Buchstaben auf - »A« wie Anwälte. »Mal schaun, ob bei Dr. Brinkmann noch jemand im Büro ist ... was sagt eigentlich Mama dazu?« - Lars drehte den Kopf zur Seite. »Ach!« sagte er, mehr nicht. Das Büro von Dr. Brinkrmann & Kollegen war noch besetzt, und Lars Schömberg bekam auch gleich einen Termin.
Die Leiche schrieb am 4.6. 2011 um 08:53:36 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Sie lagerten nackt auf Schömbergs »Spielwiese«, wie Schömberg seine ausladende Bettstatt zu bezeichnen pflegte: 180x200, einer Ecke des Raumes einnehmend, ohne Bettgestell auf dem Boden. Wieder nahmen Schömberg und sein Sohn Lars dessen Freundin Jasmin mit den wunderbaren Sektschalenbrüsten in die Mitte. Sie tranken Bier aus der Flasche, und rauchten selbstgedrehte Zigaretten. Jasmin wollte es wissen: »sneakers!« (sie redete Schömberg kokett mit seinem Szene-Spitznamen an) »Warum bist Du schwul?« Und nun sah sich Schömberg zum zweiten Male in der Verlegenheit, über seine sehr offensich gewordene Sexualität Rechenschaft abzulegen. Das erste Mal war sein Sohn Lars gewesen - und nun dessen Freundin Jasmin. Schömbergs Augen ruhten auf deren hüpschen Sektschalenbrüstchen, und suchte nach einem Einstieg. Er fand ihn in der Mitte. »Vor ein paar Jahren« begann er zu erzählen »bin ich sehr schwer krankgeworden - ne Blutgeschichte.« Schömberg berichtete von seinen immer häufigeren Krankschreibungen, den unerfreulichen Prognosen, die ihm sein Arzt stellen mußte, der hysterischen Besorgtheit von Frau Schömberg um ihre gesellschaftliche Stellung einer höheren Bankangestelltengattin (mit Prokura!), und der schnodderig-professionellen Art, mit der Reimann ihn in einen Aufhebungsvertrag gedrängt hatte. Vom Verkauf des Einfamilienhauses, seinem Einzug in diese kleine Wohnung hier, und dem »Zurückfallen auf sich selbst«, wie er es nannte. In dem Maße, wie er dann zunehmend gesünder wurde durch Kneippsche Frischluft- und Kaltwasserbäder, in dem Maße habe sich dann seine Sexualität völlig neu entwickelt - unbeeinflußt von allen Restriktionen, die sich aus seiner früheren Existenz so ergeben hatten, dem als unweichlich empfundenen Zwang, eine repräsentable Frau zu ehelichen und mit ihr eine Familie zu gründen - in der Tat war Frau Schömberg eine sehr gutaussehende Frau ! Es habe wohl immer in ihm drinnen gesteckt, schloß Schömberg diese lange Erzählung. Er hätte wohl noch etliches zu diesem Thema zu sagen gehabt, aber das Gähnen seines Sohnes Lars kündigte ihm überdeutlich, daß solch intensive Erörterungen sozialpsychologischer Zusammenhänge für Freitagnacht doch ein recht anstrengendes Thema waren.
Die Leiche schrieb am 21.5. 2011 um 08:50:00 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Schömberg saß, des schönen Frühsommerwetters zum Trotz, zuhause auf dem Sofa. Er hatte Angst. Die Hausdurchsuchung hatte ihn völlig kirre gemacht. Sie hatten seine Depotunterlagen beschlagnahmt, und seine Konten mit einem Arrest belegt - er durfte nicht mehr darüber verfügen. Schömberg war heilfroh, daß sie das Bargeld nicht gefunden hatten. Dabei war das Versteck ziemlich fantasielos gewesen: in den alten Zeitungen, die auf den Abtransport zum Altpapier warteten. Schömberg wollte Berresheim anrufen, aber wagte es nicht. Sicher würde sein Telefon abgehört werden - und Berresheims Telefon auch. Er hatte gehört und gelesen, daß man Telefone ganz leicht zu Abhöranlagen umfunktioniern könne. Blitzartig stand er auf, und nahm die Akkus aus dem freeset und dem handy. Am peinlichsten war es für Schömberg, daß sie sofort das Haschisch gefunden hatten. Es lag offen auf Schömbergs Schreibtisch - er hatte sich nicht die geringste Mühe gegeben, es zu verbergen. Der Polizeibeamte hatte es geniesserisch in der Hand gewogen, und nur trocken »Handeltreiben !« versetzt. »Scheint in der Familie zu liegen, was Herr Schömberg?«
Die Leiche schrieb am 5.5. 2011 um 21:53:07 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Ein schwieriger Moment in Schömbergs Leben war das zu Bett gehen geworden. Insbesondere zu Zeiten, in denen Schömbergs Vitalfunktionen derart beeinträchtigt waren, daß er den Tag notgedrungen fast vollständig auf dem Sofa verbracht hatte, fiel es ihm äusserst schwer, Schlaf zu finden. Las er, dann fielen ihm die Augen zu. Löschte er das Licht, dann wurde er hellwach, und grübelte über die endlosen Gerichtsverfahren nach, an denen seine Rentenansprüche hingen, überschlug immer wieder, wielange seine Ersparnisse noch ausreichen würden, bevor er auf Sozialhilfe angewiesen sein würde. Nur äusserst widerwillig und nach mehreren schlaflosen Nächten griff er dann doch zu dem Schlafmittel, daß ihm sein Arzt bereitwillig verschrieben hatte. Das Problem sein bekannt, hatte der Arzt nur lapidar bemerkt.
Die Leiche schrieb am 4.5. 2011 um 19:34:47 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Das Telefon klingelte - und das alleine versetzte Schömberg in Aufregung. Es war sehr selten geworden, daß sein Telefon klingelte. Und wenn es klingelte, war es meist ein Call-Center-Agent der Telefongesellschaft, der ihn von den Vorteilen eines neuen Tarifes überzeugen wollte. Doch heute war es Berresheim, mit dem er über 10 Jahre lang gut zusammengearbeitet hatte. Er wäre zufällig in der Gegend, ob man nicht zusammen abendessen könnte ? Schömberg kam sich vor, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Sein Puls ging schneller, und stundenlang überlegte er, was er anziehen sollte. Schließlich entschied er sich, das anzuziehen, was er in letzter Zeit immer anzog, wenn er zum Mykonos-Grill ging: jeans und sweatshirt, die Goretex-Jacke darüber. Lange hatte er vor dem Bügel mit dem Blazer gestanden, hatte sich sogar hinsetzen müssen. Die Kniee waren ihm schwach geworden, und er mußte eine Tablette nehmen. Doch dann war er sich seiner sicher geworden: Berresheim sollte ihn so sehen, wie er nunmehr lebte. Sogar auf die Rasur verzichtete er, obschon man seine Stoppeln schon lange nicht mehr als modischen Dreitagebart bezeichnen konnte. Aber die Haare würde er waschen - soviel war er sich schuldig, wenn er mit Berresheim zum Mykonos gehen würde.
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