Mundfäule

Das war - ich erinnere mich gut - so ein Kinder-Angstmachmärchen zu sozialistischen Schul- und Kindergartenzeiten. Ich weiß gar nicht, wer mir zu erst davon erzählte, vermutlich ein anderes Kind. Kinder können Kindern ja sehr glaubhaft Schauermärchen vermitteln. Wenn man Süßigkeiten esse und sich nicht die Zähne putze, stelle sich eine Krankheit namens Mundfäule ein, die generell dazu führe, daß Zähne, Zunge und Lippen schwarz würden und dann abfielen. Und, wie das mit der selektiven Wahrnehmung eben so ist, noch am gleichen Tag sah ich auf der Straße eine Frau, die - offensichtlich aufgrund eines Herpes - irgend eine grünliche Creme dick auf die Lippen aufgetragen hatte. Meine erschrockene erste Assoziation war natürlich: Mundfäule (gedacht buchstabiert als »Mundpfeule« - was sich so sogar noch grausamer in Szene setzte). Daß immer mal wieder darauf angesprochene Eltern und Erzieher den Mundfäule-Mythos zumindest nicht entkräfteten, halte ich noch bis heute für verfehlt.