|
Jede Neurose kann als ein Versuch verstanden werden, sich aus einem Gefühl der Minderwertigkeit zu befreien, um ein Gefühl der Überlegenheit zu gewinnen. Der Weg der Neurose führt nicht auf die Linie der sozialen Aktivität, zielt nicht auf die Lösung der gegebenen Lebensfragen, mündet vielmehr in den kleinen Kreis der Familie und erzielt die Isolation. Der Wirklichkeit zum großen Teile abgewand, führt der Nervöse ein Leben in Einbildung und Phantasie und bedient sich einer Anzahl von Kunstgriffen, die es ihm ermöglichen, realen Forderungen auszuweichen und eine ideale Situation anzustreben, die ihn einer Leistung für die Gemeinschaft und der Verantwortlichkeit entzieht. Diese Enthebungen und die Privilegien der Erkrankung, des Leidens, bietet ihm den Ersatz für das ursprüngliche, riskante Ziel der realen Überlegenheit. So stellt sich die Neurose und die Psyche als ein Versuch dar, sich jedem Zwang der Gemeinschaft durch einen Gegenzwang zu entziehen. Letzterer ist derart zugeschnitten, dass er der Eigenart der Umgebung und ihren Forderungen wirkungsvoll entgegentritt. Der Gegenzwang hat einen revoltierenden Charakter, holt sein Material aus geeigneten affektiven Erlebnissen oder aus Beobachtungen, präokkupiert die Gedanken-die Gefühlssphäre mit solcher Regung, aber auch mit Nichtigkeiten, wenn sie nur geeignet sind, den Blick und die Aufmerksamkeit des Patienten von den Lebensfragen abzulenken. Auch die Logik gelangt unter die Diktatur des Gegenzwangs. Dieser Prozess kann bis zur Aufhebung der Logik, wie in der Psychose, gehen. Alles Wollen und alles Streben des Nervösen steht unter dem Diktat seiner Prestigepolitik, greift immer Vorwände auf, um Lebensfragen ungelöst zu lassen, und wendet sich automatisch gegen die Entfaltung des Gemeinschaftsgefühls
|