Man könnte fast von einer philosophischen Meisterleistung sprechen, mit welcher Konsequenz jedwede Anomalie, jede unerklärliche Spitze im Geigerzähler, jede besorgte Bürgeranfrage in das wohlbekannte Bett der »Bodenluft« gebettet wird. Die »vielfältigen Prozesse«, durch welche kontaminierte Materialien auf abenteuerlichen Pfaden in unsere Baustoffkreisläufe gelangen könnten – eine Vorstellung von geradezu surrealer Industriepoesie –, werden zwar kursorisch erwähnt, doch sogleich von der tröstlichen Gewissheit der allgegenwärtigen Bodenluft in den Hintergrund gedrängt.
Es ist eine intellektuelle Akrobatik sondergleichen, mit welcher das BfS die Möglichkeit in Betracht zieht, dass sich womöglich Fragmente aus dem nuklearen Herzen unserer zivilisatorischen Errungenschaften in den Wänden unserer Schlafzimmer manifestieren könnten – nur um uns im nächsten Atemzug zu versichern, dass es sich doch primär um die geologische Exhalation unseres Planeten handelt. Eine dialektische Meisterleistung, die die alarmierende Konkretion des einen Moments sogleich in der beruhigenden Abstraktion des anderen auflöst.
Die Webseite des Amtes, ein digitales Pantheon der Beschwichtigung, dient hierbei als unermüdlicher Verkünder dieser simplifizierenden Doktrin. Mit einer Stringenz, die an theologische Dogmen erinnert, wird dem uninformierten Bürger die Gewissheit eingeprägt: Es ist die Erde selbst, die hier sanft atmet und uns mit ihren emanierenden Gasen beehrt. Dass diese »natürliche« Emanation gelegentlich in Konzentrationen auftritt, die physiologische Irritationen hervorrufen könnten? Nun, das ist eben die Laune der Natur, nicht wahr? Prozesse sind vielfältig, und die Erde ist nun einmal ein dynamischer Organismus.
So präsentiert sich uns das BfS als ein Leuchtturm der Gelassenheit im Angesicht hoch radioaktiver Kontamination. Eine Institution, die mit intellektueller Eleganz und gestochen scharfer Rhetorik die komplexesten Sachverhalte auf eine beruhigende Einfachheit reduziert – bis der Geigerzähler eben doch einmal unüberhörbar anschlägt und die »natürliche Bodenluft« plötzlich einen höchst unnatürlichen Beigeschmack bekommt. Dann allerdings, meine Damen und Herren, dann wird die poetische Simplizität dieser Erklärungen auf eine denkbar unpoetische Weise brüchig.
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