Sage vom Plötzensee
„Wo heute der Plötzensee liegt, stand einst ein Dörfchen auf einer grünen Wiese mit einem Ziehbrunnen unter einer alten Linde. Der Dorfschulze war ein grober, gewalttätiger Mann, der das arme Volk auspresste und dabei immer reicher wurde und doch keinem etwas gönnte. Nur drei Bauern ließ er in Ruhe, die waren noch reicher als er.
Als er eines Abends spät in der Dunkelheit heimkehrte, sprang ihm am Kreuzweg der Aufhocker in den Nacken und verlangte, den weiten Weg zurück nach dem nächsten Ort getragen zu werden. Da half kein Sträuben und Fluchen. Der Geist lachte nur und stieß dem Schulzen die Fersen in die Rippen. Kurz vor dem Nachbarort zwang er ihn zur Umkehr und ließ ihn eine ganze Stunde traben. Dabei wurde er immer schwerer, sodass der Bauer endlich stöhnend in die Knie brach. ‚Siehst du, so drückst du die Armen, du Schelm! Vorwärts!‘
Endlich langten sie wieder bei der Linde an und der Aufhocker lockerte etwas die Beine. In demselben Augenblick griff der Schulze zu und schleuderte den Geist mit einem Fluch in den Ziehbrunnen. ‚Versauf, du Rabenvieh, du elendes!‘
Da versank das Dörfchen langsam, der Brunnen brodelte herauf, überschwemmte die Wiese und füllte den Talgrund mit einer wogenden See. Immer tiefer sanken die Häuser, immer höher stieg das Wasser, bis auch der Kirchturm verschwunden war. Dann stand die Flut.
Im See aber strich ein starker Hecht umher. Der umstreifte achtungsvoll drei alte, fette Plötzen. Die vielen kleinen jedoch trieb er aus einer Ecke in die andere und ließ sie nie zur Ruhe kommen.
So geht es noch heute.
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