große-Schwester

Das ist eine lange Geschichte.

Eigentlich sind wir gar nicht miteinander verwandt. Aber es war immer so ein schönes Spiel, das wir beide gerne spielten: Sie, die große Schwester und ich. Eigentlich war es ein sehr inniges Verhältnis. Manchmal, wenn sie Frust auf die Welt und ihre Eltern hatte, fuhr sie mit mir in ihrem klapprigen alten Golf rauf zu den Feldern, blieb dann auf irgendeiner gottverlassenen Schotterpiste stehen und rauchte erstmal eine. Das durfte sie ja zu Hause nicht, und ihren Eltern hatte sie erzählt, daß sie schon längst aufgehört habe.

Ich hörte dann fasziniert ihren Große-Mädchen-Geschichten zu. Wahrscheinlich war ich ein guter Zuhörer, denn sie erzählte eine ganze Menge. Meistens von ihren ziemlich häufig wechselnden Beziehungen zu irgendwelchen bildhübschen Männern. In der Gothic-Szene war sie hin und wieder auch zu Hause. Das wechselte. Je nach aktuellem Freund.

Einmal beschwerte ich mich bei ihr, daß es mir schwerfalle, ganz normal zu sein, wie alle anderen und daß ich deshalb immer etwas außen vor bleiben würde. Sie fragte mich daraufhin, ob es denn allen Ernstes mein Ziel sei, normal zu sein.

Ich erinnere mich gerne an die Zeit mit ihr zurück. Jetzt lebt sie, glaube ich, in der Schweiz.