Trotzdem schreiben auch immer wieder namhafte Schriftsteller in die digitale Diaspora hinein. Elfriede Jelinek zum Beispiel. Bereits 1993 erschien sie mit »Trigger your Text« im WWW - einer interaktiven Installation mit einigen Kapiteln aus ihrem Theaterstück »Wolken.Heim« - einem Text also, der nicht eigens für das Internet verfasst ist. Etwas netzorientierter war der Internetauftritt von Matthias Politycki. 1997 schrieb er auf der Homepage der ZDF-Sendung »aspekte« das vierte Kapitel seines »Weiberromans« zu Ende. Der User konnte die Entstehung des Textes mitverfolgen und in einem Forum diskutieren. Ein halbwegs interaktiver Ansatz, der aber keinen Einfluss auf das Geschriebene hatte. Und: Bereits vor der Aktion stand fest, dass der Text am Ende als Buch erscheinen sollte. Politycki war sicher kein überzeugter E-Poet, sondern ein bekannter Autor, der sich auf eine Spielerei einließ. Selbst Rainald Goetz, der ein Jahr lang jeden Tag seine Beobachtungen und Erlebnisse im Netz platzierte, nutzte in keiner Weise die multimedialen Vorzüge des Web - kein Link, kein Bild, kein Ton. »Abfall für alle« wuchs zu einem Text, der ohne weiteres nach Ablauf der Jahresfrist als Buch gedruckt werden konnte.
JUTTA HEESS
pechlucky@taz.de
taz Nr. 6409 vom 29.3.2001, 258 Zeilen, JUTTA HEESS
http://www.taz.de/pt/2001/03/29.nf/isText.idx,1.ausg,is_200103
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