Ich fürchte, dass viel mehr über Selbstverwirklichung geredet und vor allem geschrieben wird, als dass sie tatsächlich irgendwo stattfindet - so war es auch schon Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre mit dem in der Alternativszene so heftig propagierten »Anderen Leben«: Hört sich toll an, alle Welt ist ganz begeistert davon, aber wenn man mal die Frage stellt, was denn eigentlich genau darunter zu verstehen sei, wird es seltsam still in der Runde... und was aus der Perspektive des sich nach einem diffusen Anderen als Verkörperung des Glücks, des nicht gelebten Lebens Sehnenden wie die große Erfüllung aussieht, stellt sich oft genug für den, der da vermeintlich seinen Traum lebt, als bestenfalls auch nur ganz normaler Alltag, schlimmstenfalls als biographische Katastrophe heraus.
Sämtliche Afghanistanfahrer in meinem Freundeskreis sind in den 60ern und 70ern so beiläufig nach Afghanistan geraten wie ich im Februar 1995 ins Internet - genauso wenig, wie es für mich von Anfang an der große Lebenstraum war, per Mausklick durch virtuelle Welten zu surfen, war für sie Afghanistan seit früher Jugend das Sehnsuchtsziel schlechthin. Afghanistan blieb entweder eine Episode, ein Mosaiksteinchen in der Biographie - oder es wurde ein ganz normaler Beruf daraus, so alltäglich wie Kochen, Putzen und Aufräumen.
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