Nicht ganz zu Unrecht weist eine Tageszeitung heute anläßlich der Ole von Boys–Affäre darauf hin, daß Homosexualität selbstredend auch für einen Politiker kein Karrierehindernis sein darf, wohingegen eine notorisch verleugnete Homosexualität durchaus gewisse Zweifel an der Integrität der betreffenden Person nährt. Zum einen sind ungeoutete Schwule theoretisch erpressbar und zum zweiten stellt sich die Frage, ob es nicht die qua parlamentarischer Illusion Vorbild geben sollende Position eines Politikers erfordert, mit der eigenen Person jene Normalität und Akzeptanz zu bewerben, die fast alle im Bundestag vertretenen Parteien in der Frage der Gleichgeschlechtlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben. Recht auf Unantastbarkeit der Privatsphäre, höre ich da? Solange Homosexualität nicht als etwas so normales wie Linkshändigkeit oder Blutgruppe Null Rhesus positiv betrachtet wird, ist das ganze Toleranzgerede nur eine verlegene Übersprungshandlung. Man muß gewiß nicht sein Sexualleben in allen mehr oder meist weniger schillernden Details vor dem Publikum ausbreiten, aber als an der Schwelle zum Tode stehende Politmumie, die nichts mehr zu verlieren hat, Medien, die auf die geschlechtliche Orientierung gewisser notorischer Junggesellen verweisen, mit Klagen zu überziehen, zeugt doch von einer arg getrübten Selbstwahrnehmung.
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