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Open Source, Open Text, Open Theory: Offene und partizipative (Mit-)Schreibprojekte im WWW
Es ist nur konsequent, dass Douglas Davis, Pionier des interaktiven Fernsehens und Initiator früher telematischer Projekte, Anfang der 1990er Jahre im damals neuen Medium des World Wide Web (WWW) eines der ersten Netzkunstprojekte lancierte. »The World's First Collaborative Sentence«[67] (1994) ist ein einziger, nicht endender Satz, der seit 1994 von seinen Lesern immer weiter geschrieben werden kann. Davis sieht dieses Webprojekt als Fortführung seiner bis in die 1970er Jahre zurückreichenden Versuche, aus den »starren Sender-Empfänger-Paradigmen massenmedialer Medien- Schaltungen aus[zu]brechen«.[68] Das Internet ist für Davis daher das ideale, weil aktive Partizipation erlaubende Medium.[69]
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickeln sich jedoch im Internet noch ganz andere Formen der Partizipation und Kooperation. Diese gehen größtenteils auf die im Internet historisch gewachsenen Prinzipien des freien Austauschs und der Geschenkökonomie zurück, bekommen jedoch in den
1990er Jahren als Open Source, Open Theory oder Open Law eine ganz eigene Dynamik. Es handelt sich hierbei um kollaborative Annotations- und Redaktionssysteme, oft als sogenannte ›Weblogs‹ realisiert, die das gemeinsame Arbeiten an Projekten (Software, Enzyklopädien, Gesetze) – oft über sehr große Distanzen – ermöglichen. Diese neuen hypertextuellen Vernetzungsmöglichkeiten, die das WWW bietet und die auf den Diskussions-, Konversations- und Kooperationskulturen von Diskussionsforen, Newsgroups, MUDs und Mailinglisten aufbauen,[70] werden jetzt auch zum Produktionsparadigma von künstlerischen Netztexten. Hierfür ist der »Assoziations-Blaster« (seit 1999) von Alvar C. H. Freude und Dragan Espenschied ein gutes Beispiel. Der »Assoziations-Blaster« ist ein »interaktives Text-Netzwerk, in dem sich alle eingetragenen Texte mit nicht-linearer Echtzeit-Verknüpfung™ automatisch miteinander verbinden«.[71] Hier wirken also Leser-Autoren an einem riesigen Textgeflecht, dessen einzelne Wörter automatisch mit bereits vorhandenen Stichwörtern verlinkt werden. So entsteht ein
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[67] Der ›Satz‹ war 1994 vom Lehman College/CUNY Art Gallery in New York in Auftrag gegeben worden und war wohl das erste Netzkunstwerk, das je von einem Sammler gekauft wurde. Heute befindet es sich im Besitz des Whitney Museum for American Art in New York.
[68] Heiko Idensen, »Kollaborative Schreibweisen – virtuelle Text- und Theorie-Arbeit: Schnittstellen für Interaktionen mit Texten im Netzwerk«, in: Gendolla (2001), S. 253.
[69] Vgl. auch Davis' eigenen Text am Anfang des »Sentence«.
[70] Vgl. Heiko Idensen, »Kollaborative Schreibweisen – virtuelle Text- und Theorie-Arbeit: Schnittstellen für Interaktionen mit Texten im Netzwerk«, in: Gendolla (2001), S. 256.
[71] Zitat von der Website.
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