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wuming schrieb am 15.4. 2003 um 02:30:40 Uhr über

Medien


Walter van Rossum

Aus nicht bestätigter Quelle










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MASSENMEDIEN UND KRIEGDie Journalisten
spielen ihr Lieblingsspiel - Boten des Realen

Der Krieg gegen den Irak ist nicht erst völkerrechtswidrig, seit
»Schock und Horror« im Desertstorm der irakischen Wüste
rumballern. Von Anfang an bestand die amerikanisch/britische
Absicht darin, notfalls an den Vereinten Nationen vorbei eine
UN-Resolution im amerikanischen Interesse zu vollstrecken. In
dem Moment, da diese Politik unzweideutig öffentlich wurde,
hätte es für die sogenannte Völkergemeinschaft keine
dringendere Aufgabe geben dürfen, als diesen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu verhindern. Nun klingt
»völkerrechtswidrig« in Zeiten, da wir uns an das Marodieren von
Killerschwadronen gewöhnt zu haben scheinen, ein wenig nach
einem diplomatischen Kavaliersdelikt, nach der Missachtung
einer internationalen Parkverbotsvorschrift. In Wahrheit ist hier
aber ein Angriffskrieg gemeint, der nach den Vorstellungen des
internationalen Rechts zu den schwersten Vergehen schlechthin
gehört: Schließlich geht es um vorsätzlichen Massenmord - der
auf eine bislang nicht bekannte Weise gegen das Votum der
politischen Weltöffentlichkeit durchgeführt wird. Allerdings ist klar,
dass solche Wahrheit zur Zeit von niemandem politisch
geschultert werden kann. So versteckt die Politik ihre
Lebenslügen hinter diplomatischen Sprachregelungen, welche
sich in der medialen Zurichtung der Welt als grotesker Eiertanz
fortsetzen.

Scheinbar sind unsere Journalisten schlagartig mit »Ausbruch«
des Krieges hyperkritisch geworden. Verzweifelt ahnen unsere
atemlosen Korrespondenten, dass sie wieder mal in die Falle
gegangen sind: Die Bilder vom Aufmarsch der
Vernichtungshandwerker und Schemen von ein paar Leichen
verstecken den Krieg mehr als dass sie ihn zeigen. Die perfide
Illusion, wir seien dabei auf unseren Sofas, ist zur quälenden
Paradoxie für viele Journalisten und Zuschauer geworden. Die
rasenden Reporter hüllen sich in Wolken aus Konjunktiven, und
man scheint sich der journalistischen Primärtugend zu entsinnen,
dass Informationen gefälligst zu überprüfen sind. Im Gefängnis
der Echtzeit dämmert die Sehnsucht nach einem Hauch von
Echtheit.

Dabei liegen Monate hinter uns, in denen Medien sich zur bunten
Bühne eines großartigen demokratischen Abstimmungsspiels
gemacht haben: Sollen die Amerikaner oder nicht? Ich kann mich
nicht erinnern, dass im Eifer des Gefechts je vernehmbar danach
gefragt worden ist, dass allein die Fragestellung sich schlicht und
einfach verbietet - und zwar aus rein rechtlichen Gründen.

Doch Medienarbeiter behaupten gerne, sie könnten sich
schließlich nicht die Welt auszusuchen, über die sie berichten.
Allerdings tun sie genau dies pausenlos und ohne Bedenken.
Erinnern wir uns beispielsweise daran, dass die Bundesrepublik
Deutschland in einen Krieg in Afghanistan verwickelt ist, von dem
zur Zeit allein das Rauschen einer totalen Bild- und Tonstörung
kündet. Zuvor hatte man uns wenigstens ein paar getürkte
Meldungen über gerettete Frauen und die neue afghanische
Demokratie aufgetischt. Sind die Medien also gekauft?
Keineswegs. Sie spielen bloß ihr Lieblingsspiel: Boten des
Realen. Das ist zwar vormoderner Schwachsinn und doch die
Lebenslüge einer ganzen Zunft. Da man das Reale nicht einfach
spiegeln kann, schließt sich die Berichterstatterzunft ganz
pragmatisch bei ihrer Weltbeobachtung an die Vorgaben der
gerade waltenden parlamentarischen Vernunft. Die politische
Realität erschöpft sich für Journalisten in der Wahrnehmung von
Politikern, ihrer Themenwahl und ihrem Wertespektrum. Doch die
mediale Wahrnehmung der Politik vertraut dabei keineswegs
dem eigenen Blick, sondern orientiert sich an anderen Medien.
Journalisten beobachten niemals die Realität, sondern immer nur
die Medienrealität. Und so verdankt sich unsere tägliche
Medienrealität einer routinierten inneren Gleichschaltung. Medien
werden der »enormen« Realität Herr, indem sie auf extrem
triviale Wahrnehmungstechniken zurückgreifen. Leider machen
sie sich dabei immer mal wieder die Hände schmutzig, wenn sie
nämlich die real existierende Realität irrealisieren.

Nehmen wir das aktuelle Beispiel: Als die USA erkennen ließen,
dass sie an der UNO vorbei das Regime Saddam Husseins
beseitigen würden, um die Herrschaft im Lande zu übernehmen,
erhob sich überraschenderweise aus der Tiefe des
parlamentarischen Raumes in Deutschland gar eine
Gegenstimme: Kanzler Schröder lehnte jede Beteiligung an
diesem Unternehmen ab. Allerdings hielt sich der Kanzler
bedeckt. Ohne die Politik der Vereinigten Staaten zu kritisieren,
ließ er stets bloß erkennen: man sehe die Sache anders. Als
ginge es sozusagen um zwei unterschiedliche
Expertenmeinungen im Freundeskreis. Und natürlich weigerte
sich Schröder beim Namen zu nennen, was von Anfang an klar
war: Es würde ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg aus dem
Geist neuer imperialer Machtpolitik. Begeistert über einen
politischen Disput mit blutigem Ernstgehalt gingen die Medien in
die Falle: sie inszenierten köstliche Pro- und Contra- Schlachten,
gaben sich als Sachwalter einer um Meinung ringenden
Öffentlichkeit und übersahen stets das eine: diese Debatte war
von Anfang an de jure illegal und de facto total absurd und dafür
gab es sehr genaue Gründe. Deshalb mussten die
Medienmenschen im Laufe der Zeit immer mehr daran arbeiten,
dieses irrsinnige Abstimmungsspielchen gegen
außerparlamentarische, das heißt intelligente Einsichten
abzuschotten.

Zum Beispiel wurde in den Debatten der letzten Monate
systematisch die völkerrechtliche Seite ausgeklammert. Es
wurde zwar über Schröders Mangel an Diplomatie schwadroniert,
aber wieso hat dann niemand gesehen, dass Bush II. von Anfang
an das diplomatische Parkett verlassen hatte. Internationale
Vereinbarungen interessierten ihn nur, falls sie seine Interessen
begünstigten. Niemand wollte sehen, dass das Walten der
UN-Waffeninspekteure nichts mit Bush erklärtem Ziel zu tun
haben konnte: Nämlich das Regime Saddam Husseins zu
beseitigen. Und wie soll sich ein Regime auch entwaffnen lassen,
dessen Beseitigung längst in Auftrag gegeben wurde.
Spätestens nämlich seit dem Irak Liberation Bill vom Herbst
1998 - ein offiziell vom Kongress verabschiedetes Gesetz. Man
kann Bush & Co eines nicht vorwerfen: Niemals haben sie ihre
Absichten im Unklaren gelassen. Aber genau über diese
Absichten wollte hier niemand diskutieren. Stattdessen wurden
hier Diskussionen geführt und von den Medien inszeniert, die
diese wahren und keineswegs geheimen Absichten ziemlich
geheimnisvoll machten: als ginge es um eine Mischung aus
humanitärer Mission, Antiterrorkampf, Weltpolizei und allenfalls
ein wenig Sicherheit in Sachen Ölnachschub. Da hätte genügt,
einmal über den humanitären Leumund der Vereinigten Staaten
zu informieren. Bei den letzten 67 Kriegen, an denen die USA
beteiligt waren, sind exakt 67 Diktaturen oder korrupte Regime
herausgekommen - von den vielen Millionen Toten ganz zu
schweigen. Statt dessen musste sich jeder Kritiker der
amerikanischen Strategie erst einmal gegen den Verdacht des
Antiamerikanismus zur Wehr setzen. Ad nauseam wurde
wiederholt, die aktuelle irakische Krise verdanke sich dem
Umstand, dass Saddam Hussein 1998 die
UN-Waffeninspekteure aus dem Land geworfen hätte. Doch das
Gegenteil ist wahr, und die Faktenlage ist keineswegs strittig.
Immerhin durfte man ein paar ausgezeichneten Dokumentationen
der Dritten Fernsehprogramme und verstreuten Zeitungsartikeln
entnehmen, wer Hussein & Konsorten zu den Potentaten
gemacht hat, die sie dann geworden sind. Nebenbei: davon gibt
es noch etwa hundert auf Erden - und die allermeisten haben wir
unter Vertrag. Ich kann mich auch nicht entsinnen, dass bei
Christiansen & Co so integre und sachkundige Leute wie Hans
von Sponeck je aufgetreten wären. Die hätten nämlich sehr gut
erklären können, worum sich dieser gewollte Krieg in Wahrheit
dreht und wie er seit langem eingefädelt wurde. Stattdessen
kamen in den diversen TV-Parlamenten pensionierte
Feldmarschälle zum Einsatz und faselten von der abstrusesten
aller Propagandalügen: der militärischen Befreiung des Irak.

Gut, man mag einräumen, dass in den Massenmedien - und von
denen ist hier im wesentlichen die Rede - auch einiges Kritische
zu finden war. Doch waren diese vergleichsweise marginalen
Stimmen je auf der Höhe des Einsatzes? Nämlich der
absehbaren Destabilisierung der an sich schon wenig
ruhmreichen Weltordnung durch die neue imperiale Politik der
Vereinigten Staaten? Die Contra-Argumente streuten ein wenig
Verdacht, sie hielten sich weitgehend diplomatisch bedeckt, sie
übersahen systematisch die erklärten und überaus klaren
amerikanischen Absichten. Und so plausibilisierten sie stets eine
Debatte, die vor allem den Kern der Lage verhüllte.

Kurz, man kann natürlich allen Ernstes darüber diskutieren, ob
man Araber schlagen soll. Wer sich an einer solchen Debatte mit
skeptischen Einwänden beteiligt, hat die entscheidende Schlacht
allerdings bereits verloren. In diesem Sinne hatte die öffentliche
Debatte in den letzten Monaten keinen anderen Sinn als die
entscheidenden Fragen nicht zu stellen und uns über die längst
verlorene Schlacht hinweg zu trösten. Und jetzt, da die heiße
Schlacht im Irak begonnen hat, helfen uns die an grün blitzenden
Bildern aufdringlich zweifelnden Journalisten auch nicht mehr.


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