|
Also ich hab ja ne ganz massiv gestörte Beziehung zu meiner Mutter - unter anderem, weil sie mich in der Grundschule schon für eine »drei« verprügelt und mit Fußtritten um den Wohnzimmertisch gejagdt hatte. Im Jahre 1982 ist dann mein Vater gestorben, an seinem siebten oder achten Herzinfarkt. Und wie man das so macht, wühlt man so »in den Papieren« - wahrscheinlich getrieben von der uneingestandenen Hoffnung nach heimlichen Sparbüchern oder sowas, und was findet man: das Zeugnisheft von Mama, aus der Zeit des tausendjährigen Reiches. Die »drei«, für die ich regelmässig verprügelt worden war, war die beste Note gewesen, die in diesem Heft überhaupt aufgetaucht ist, wenn man mal von der »zwei« im »Betragen« und im »Fleiß« absieht. Ich weiß noch wie heute, wie glühende Wogen von siedendem Blei in mir auf und ab geschwappt sind und wie meine Hände gezittert haben, als ich es Mama unter die Nase gehalten habe. Sie hätte es doch nur gut gemeint, hatte sie gemeint. Bis heute werfe ich mir vor, sie nicht mit diesem Zeugnisheft geschlagen, sie nicht mit Fußtritten um den Wohnzimmertisch herum gejagdt zu haben. Nun ist sie n paar 80 und dämmert in einem Pflegeheim ihrem Siechtum entgegen - zu spät.
|
