Gedankengebäude

1.5.2003

Calista C. verrückt geworden, hat sich mit mehreren Geiseln in einem Gedankengebäude verschanzt, fordert freie Liebe und freies Geleit, sonst stirbt die Wahrheit als erstes.

2.5.2003

Habe heute die Ehre exekutiert, ist bis zum Schluß standhaft geblieben.

3.5.2003

Vorrat an Pfirsichen hat zu schimmeln angefangen.
Bestand an Geiseln verringert sich zügig, seit heute morgen ist die Schönheit dahin.

4.5.2003

Äpfel der Erkenntnis völlig verwurmt. Die Polizei schleicht ums Haus. Ich spüre ein Gewitter herannahen.

Erstes Geschoss
Hie leben die Blinden, die glauben, was sie sehen
Ünd die Tauben, die glauben, was sie hören
Festgebunden auf einem Küchenhocker
Sitzt ein Irrer, der glaubt alles, was es anfassen kann
Seine Hände liegen im Schoß
...

scheiße, wenn das gedankengebäude so eng gebaut wurde, daß du dich darin nicht mehr frei bewegen kannst, geschweige denn tief durchatmen.

Gedankengebäude sind das dialektische Gegenstück der Realität, wie Leitern die an einen Baum gelehnt werden, halten sich die am längsten, die auf einem stabilen Untergrund von Erkenntnissen, in einem nicht zu gewagten Winkel an den Baum angelehnt werden und dessen Sprossen uns näher an die Früchte oder auf einen besonders gemütlichen Ast bringen.

Mit jedem Lebensabschnitt wachsen die Leichenberge im Keller. Viele verlieren irgendwann die Nerven und setzen sich in einem teilmöblierten Gedankengebäude zur Ruhe.