Weihrauch

Weihrauch war Bruder Frutigers schwache Stelle. Bisweilen schlich er nach dem Gottesdienst in die Sakristei und stahl dem Mesner zwei, drei Körnchen aus dem Schrank, am liebsten den herben, dunklen aus Arabien, und verbrannte ihn am Abend in seiner Zelle über der Kerzenflamme. Wenn er sich dann dem Duft und der Erinnerung hingab, vergaß er alles um sich herum.
Die Brüder, die vor seiner Tür vorbeigingen und rochen, was da durch die Türritzen quoll, lächelten still vor sich hin: »Jetzt träumt er sich zurück in seine arabischen Jahre...«
Ja, die Zeit als Hof-Bergelch des Sultans war seine glücklichste gewesen.

Ich hätte es kaum geglaubt, aber ich bin inzwischen regelrecht süchtig nach dem Geruch von Weihrauch, von dem ich ein gutes Pfund aus Arabien mitgebracht habe. Alle paar Stunden renne ich in die Küche und werfe ein Bröckchen davon auf das eingeschaltete Ceranfeld unseres Ofens, da ich leider bislang noch keine gereinigte Holzkohle für meinen erworbenen Weihrauchbrenner bekommen habe. Ob das etwas mit meiner derzeit unbefriedigten THC–Abhängigkeit oder einer christkatholischen Gottsuche zu tun hat, weiß ich noch nicht zu sagen, nach dem Zeugnis eintretender Besucher jedoch muß das Resultat inzwischen regelrecht atemberaubend sein.

Die vier Edlen zügelten ihre Kamele vor der winzigen Hütte. Im schwachen Licht des Sterns hoch über ihnen sahen sie einander in die verzückten Augen. Gleich würden sie den Heiland sehen. Da plötzlich erschrak der vierte von ihnen - Montezuma - Er durchwühlte seine Taschen, suchte wie von Sinnen. Doch am Ende, gramgebeugt, wandte er sich zu seinen Reisegefährten: »Brüder, geht schon hinein. Ich habe den Weihrauch vergessen.« Sprachs, besprang sein Kamel und ritt eilends davon. Da grinste boshaft der Dritte und sprach: Den Weihrauch habe ich. Er sollte Tabak bringen, den kennt man hier nicht."