heimrennen
Bewertung: 1 Punkt(e)
Juli. Kurz vor Schulschluss zogen Gewitterwolken auf. Meine Klassenkameradin Angela und ich wohnten in benachbarten Häusern, und wir hatten das gleiche Problem. Kommen wir einigermaßen trocken nach Hause, wenn wir sofort losmarschieren?
Ich bin erstens Realist und zweitens Optimist. Unser Schulweg dauert 20 Minuten. Auf unserem Schulweg stehen sehr viele Bäume. Ungefähr 2/3 der Strecke ließ sich unter dichten Bäumem zurücklegen. Damit blieben bei normaler Geschwindigkeit knapp 7 min zwischen den Bäumen, während der wir nass würden. Wenn wir zwischen den Bäumen schnell rennen, könnten wir die Zeit realistisch von 7 min auf ungefähr drei Minuten reduzieren. Ich hatte Mut genung, mich sofort auf den Weg zu machen. Etwas optimistisch gerechnet (der Regen macht auch mal Pause) würde ich eine Duschzeit von maximal zwei Minuten in Kauf nehmen.
Das größte Problem war, Angela meine Abschätzung als glaubwürdig zu verkaufen. Tatsächlich glaubte sie mir. Ich nahm sie an die Hand, und wir machten uns auf den Weg. Unter den Bäumen ließen wir uns Zeit und warteten auch einmal das Nachlassen des Regens ab. Letztlich wurden wir nur eine Minute lang nass.
Angela war von meinem Mut und meiner Prognose begeistert. Vor ihrer Haustür umarmte sie mich und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Das dauerte jedoch etwas länger. Genau in dem Moment öffnete der Himmel seine Schleusen, und wir wurden patschnass. Mir war es Angelas Kuss jedenfalls wert.