Hol

2007. Der Zeitgeist ist todkrank. Sagt die Holistik. Im Gemüseregal vom Supermarkt liegen die 2,5 kg Säcke Erdäpfel vom Diskontanbieter. 1,20 Euro. Daneben die Biozuchini aus kontrolliertem Anbau. Stückpreis 0,70 Euro. Einheitliche Größe, geschätzt ca. 120 Gramm. Davon kann kein Mensch satt werden. Von einem Kilo Erdäpfel schon. Geschmack ist eine andere Sache. Biotechprothetik boomt. Aber bloß in den Medien. KassenpatientInnen können davon träumen.
Parkbänke und Wartebänke werden umgestaltet auf nebeneinandergereihte Einzelsitzgelegenheiten. Pech für Übergewichtige, aber die entsprechen sowieso nicht der Norm. Gutmenschen ist ein Begriff zum Verunglimpfen. Das alles war schon einmal da aber doch ein wenig anders. Hope heißt die Hündin eines Freundes von mir, der im Rollstuhl sitzt. Es ist ein ausgebildeter Begleithund, Kostenpunkt 12.ooo Euro. Hope wird schon alt, aber sie lebt.

-hol ist eine indogermanische Sprachwurzel, die weit hinter das Gotische und das Sanskrit zurückreicht, die kommt sozusagen direkt vom Ginkgo geklettert. Ihre Bedeutung ist heideggerisch zu sprechen 'all-umfassend nichtend', was sich an so unterschiedlichen Worten wie hole, whole, holistisch, hohl zeigt, alles oder nichts, darunter tut es das Wörtlein nicht, kein Wunder, dass da gleich ein holy um die Ecke lugt. Holen: Vollständig machen. Aber egal, wieviel ich mir hole, ganz werden wir so schnell nicht mehr.