Die Schwiegermutterperiode dauert ungefähr vom vierzigsten bis zum sechzigsten Jahr, füllt also einen Lebensabschnitt, in dem der normale Mensch noch in geistiger und körperlicher Frische zum Schaffen disponiert ist. Mit dem Beginn des Greisenalters, wenn der Tätigkeitstrieb dem Bedürfnis nach Ruhe und Frieden weicht, pflegt die schwiegermütterliche Mutter und die Schwiegermutter vom Schauplatz abzutreten. Schwiegermutter wird Großmutter.
Ist die Domäne der Frau einzig und allein Ehe, Hauswirtschaft und Kinderaufziehung, so wird, wenn diese Quellen der Tätigkeit im eigenen Hause allmählich versiegen, die so begrenzte Frau sie da aufsuchen, wo sie frisch sprudeln: im Hause ihrer Kinder. Der Arbeitslose sucht sein Dasein zu fristen wie und wo er kann, wenn es nicht anders geht, auf Kosten anderer. Müßiggang ist nicht nur aller Laster, sondern auch aller Schwiegermütter Anfang.
Unkluger Mann, der du gegen die Berufsfrau eiferst! Jedwede etwas reichlich bemessene Berufstätigkeit saugt dir deine Schwiegermutter auf, und auch die etwaigen Tanten, Großmütter und sonstigen weiblichen verwandten Anhängsel, die dich bisher pekuniär oder gemütlich genierten. Und »das alte Weib« stirbt aus, – bei Lebzeiten meine ich – das die Männer nicht gern haben, obwohl es doch nichts dafür kann.
Denn die Frau, die in einem Beruf wirkt, hat gar keinen Seelendrang, Schwiegermutter, Tante oder Großmutter zu sein. Wer die Hände nach den goldenen Äpfeln der Hesperiden ausstrecken darf, findet an sauren Erisäpfeln keinen Geschmack mehr.
Hedwig Dohm: Die Mütter
Beitrag zur Erziehungsfrage
Berlin 1903
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