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Celeste schrieb am 29.6. 2010 um 11:09:24 Uhr über

Tante

Der rote Schnellhefter beinhaltete minutiöse Anweisungen für ihren Todesfall - es überrascht keinen, daß auch die Grabstelle längst gekauft und gesichert war. Wie lange im voraus für sie feststand, wo sie beerdigt werden wollte, offenbarte der Grabstein. Mein lange vor meiner Geburt verstorbener Großvater, seine Frau und deren Schwester lagen bereits in dem Grab und auf dem Grabstein war exakt noch eine Zeile frei für ihren Namen - und die war auch nur deshalb frei, da die Namen meiner Oma und ihrer Schwester sehr sehr dicht untereinander gesetzt worden sind.
Sollte sich bei der Beerdigung also jemand gefragt haben, weshalb ich grinsen mußte, ist das Geheimnis hiermit gelüftet.
In dem roten Ordner war auch die Anweisung, daß ihre Einäscherung ohne Blumenschmuck und Trauergäste erfolgen sollte und auch zu ihrem Urnenbegräbnis liess sie kaum Blumenschmuck zu.
Streng - ein sehr passendes Wort für meine Tante. Ihre Lieblingsfarben schwarz und weiß und die Kleidung streng und rüschenlos. In ihrem Leben hat sie vermutlich 2.000 Blusen genäht und alle hatten glatte Armbündchen und einen kleinen spitzen Kragen. Als es zu den Totenhemden kam, offenbarte sich die erste und einzige Planungsschwäche meiner Tante - wir hatten lediglich eine Auswahl zwischen drei gerüschten Hemden. Rüschen - an meiner Tante?!
Beharrlich schoben wir einander die Verantwortung für die Entscheidung zu, bis uns einfiel, daß sie niemand in dem Hemd sehen würde. (falsch gedacht ...) Leichtsinnig ignorierte ich gleich noch das Blumenverbot und bestellte 3 Rosen für in den Sarg.
Wäre es nicht vollkommen unwichtig gewesen, hätte ich es bereut, denn kurz darauf stand ich vor einem offenen Sarg und nahm Abschied.
Es ist immer wieder erstaunlich, daß neben großen Gefühlen immer noch Platz für Lappalien bleibt. Geht das nur mir so?
Unbändige Lust auf Cola, als ich nach 9 Monaten mein Baby in den Arm gedrückt bekomme und neben dem Kummer um meine Tante ein Schuldgefühl für ein Rüschenhemd, was Augenblicke später zu explodieren drohte, als der Gärtner erschien, sich entschuldigte und meiner Tante die Rosen in die Hand drückte.
Ich wollte, daß sie in den Sarg gelegt werden, damit sie den Rosenduft hat und nicht, daß irgendwer an ihr herumbiegt und wie einer Barbie Kram in die Hände drückt.
Aber wie gesagt, es war unwichtig und auch eine Clownsnase oder eine Babyrassel hätte nichts an irgendwas geändert. Der Tod ist schon etwas merkwürdiges und keine Bange, es liegt mir fern zu philosophieren. Man verspürt einen ungeheuren Verlust und gleichzeitig Dankbarkeit, diesen Menschen überhaupt gekannt zu haben. Natürlich vermisse ich unsere Gespräche, aber ich habe doch meine Erinnerungen. Daran, wie ihre Nase plötzlich spitzer zu werden schien, wenn sie sich ärgerte, wie sie kurz Luft holte und dabei entschied, einen mit ihrem profunden Wissen vom Feld zu wischen, oder noch eine Flasche Wein zu holen und verschmitzt zu grinsen.
Wobei zweiteres nicht etwa bedeutete, daß sie nachgab und uns je in irgendwas Recht gab, sondern es ihr ausreichte, wenn sie wußte, daß sie Recht hatte - und wie gesagt, das hatte sie immer ...


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