Schömberg, der immer unruhiger wurde, wandte sich zum Cockpit seines Camping-Busses und schaltete Zündung und Scheinwerfer ein - Fernlich. Er erschrak abermals. Er hatte sich vor dem Schneesturm in den Windschatten eines großen leerstehenden Gebäudes geflüchtet, und an der Grenze jenes Windschattens hatte sich eine Schneewand von fast einem Meter Höhe aufgetürmt, die sich in einem elegant anmutenden Schwung von der Hausecke quasi um Schömbergs VW-Bus herumschmiegte. Darüber wirbelten verwirrende Ströme dichter Flocken. Autoradio, Surfstick und handy waren tot. Schömberg empfand nun jäh, auf Gedeih und Verderb dem Funktioniern seines Camping-Busses angewiesen zu sein - und auf das Funktionieren seines eigenen Gehirns. Er sah sich in dieser düsteren Schneewüste gänzlich auf sich alleine gestellt. Wieder rauchte Schömberg eine Zigarette. Er nahm sich Stift und Papier vor, und begann eine Checkliste anzufertigen, die er teilweise noch am Tisch sitzend abhakte: der Dieseltank war gut dreiviertelvoll. Jetzt galt es, abzuschätzen, wieviel die Standheizung verbrauchen würde. Immerhin war es nicht ausgeschlossen, daß Schömberg hier nicht nur bis zum Morgen, sondern sogar über den nächsten Tag hinaus eingeschlossen sein würde. Zudem mußte er spätestens am Folgetag den Motor laufen lassen, um die Batterien wieder aufzuladen - ohne Strom keine Standheizung ! Er überprüfte seine Lebensmittelvorräte und registrierte mit gewisser Verärgerung, daß sein Frischwassertank fast leer war, es pure Faulheit von ihm gewesen war, ihn beim letzten Tankstopp in Naumburg nicht aufgefüllt zu haben. Doch alsbald fiel ihm ein, daß er ja jederzeit Schnee schmelzen konnte. Die Reservegasflasche war ebenfalls gefüllt, so daß Schömberg nach einer knappen halben Stunde des Überprüfens und Kopfrechnens wieder ruhiger wurde. Er würde der Belagerung auf jeden Fall drei, vier oder gar fünf Tage standhalten können, und der letzte Ort, den er durchquert hatte, lag nur ca. 12 km zurück - eine Entfernung, die auch durch hohen Schnee zurückzulegen sich Schömberg durchaus zutrauen wollte. Gleichwohl erschien diese Option Schömberg immer unbehaglicher, ja unheimlicher, je länger und öfter er darüber nachdachte.
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