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4. Der Ort digitaler Poesie im Netz der Literaturen findet sich im Programm des literarischen Experiments.
 
 Poetische Programme - ich ziehe diesen Begriff dem etwas angestaubten der Poetik vor - poetische Programme bestehen aus bestimmten Konzepten, Prinzipien, Werten, Arbeitshaltungen, Fragestellungen, Zielvorstellungen, die einzelne künstlerische Ereignisse poetologisch orientieren und steuern.
 
 Das Programm des literarischen Experiments kommt meiner ersten These entgegen: experimenteller Literatur ging es immer um die Sprache bzw. die Zeichen selbst, ihre technischen, materialen, semantischen und pragmatischen Möglichkeiten, um die Grenzüberschreitung hin zur bildenden Kunst und zur Musik, aber auch zur Wissenschaft, um die Beobachtung der Abläufe bei Produzenten und Rezipienten im Formulierungs- und Verstehensprozess. Experimentelle Poesie war daher immer schon Medienpoesie. Es gibt einfach kein literarisches Terrain, wo man sich seit jeher so intensiv mit medientechnologischen Fragen beschäftigt hat - das betrifft auch Tontechnik, Rundfunk, Fotografie, Film, Video, Holografie. Von daher ist es kein Wunder, dass die Anfänge der literarischen Beschäftigung mit dem Computer in ihrem Dunstkreis erfolgen: Ende der 50er erstmals im Kreis um Max Bense in Stuttgart, dann in Canada und den Staaten, in den 70ern in Frankreich mit OULIPO, der Werkstatt für potentielle Literatur, oder auch mit einzelnen Persönlichkeiten wie Jacques Roubaud, Richard Kostellanetz, Jim Rosenberg, John Cayley, Reinhard Döhl oder auch Augusto de Campos, einem der Väter der konkreten Poesie. Sie alle haben sich im Rahmen ihrer literarischen Experimente früher oder später mit den Möglichkeiten des Computers beschäftigt. Nicht zu vergessen die theoretisch weitsichtigen Entwürfe von Max Bense und Oswald Wiener. Vor diesem Hintergrund entstand auch die Sammlung »p0es1s«.
 (http://www.p0es1s.com/)
 
 Friedrich W. Block:
 Acht poetologische Thesen zur digitalen Poesie
 http://www.le-txt.de/acht_thesen.htm
  
 
 
 
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