Individualbeleuchtung

Meine Tante aus Amerika, halt, ich bin ja mittlerweile erwachsen, aus Südamerika, aus Kolumbien, genauer Bogotà, wo sie mal wen überfahren hat, hat mal vor langer, langer Zeit eine ganz besondere Leuchte als Geschenk mitgebracht. Das ist eine Art »klemmbare Leuchte«, die kann man mittels einer weißen Plastikklemme an die Tischkante klemmen, und dann kann man damit im Dunkeln lesen, wir haben damals einen ebenfalls weißen Klapptisch gehabt, der dazu gedacht war, daß man ihn im Bett aufklappt. Da habe ich oft die Individualbeleuchtung an die Individualfreßplatte gesteckt und Marmeladenbrot gegessen während ich »Mord im Orientexpress« gelesen habe, wenn ich mich mal betrügerischerweise krankschreiben lassen habe.

Die Kerze oder die Neonröhre aus dem Vordach meines Nachbarn. Beides ist für die tapferen aus der unterwelt unserer Gedanken.

Wie ein Hundehalter seinem Tier, so hatte sich sein Gesicht über die Jahre seiner Lavalampe angeglichen. Träge Schlieren der Aufmerksamkeit stiegen im Gespräch zuweilen von der Halspartie bis zur sich konisch verjüngenden Stirn, um sogleich mit dem nächsten viskosen Puls ihre trägfarbigen Ausblühungen wieder herabsinken zu lassen.

Ich möchte auch eine Individualbeleuchtung! Ich sag nur: »Nie wieder Neonlicht.«