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voice recorder schrieb am 10.1. 2003 um 02:53:02 Uhr über

Melodie

Doch ist dieser Wechsel im Tonfall bereits in der ersten, unendlich diskreten Antwort eines erlöschenden Klangs enthalten - und angekündigt. In der einfachen Rückkehr eines Tons in die Stille, die die Perspektiven vertauscht - und anderes hörbar werden läßt. Sie schafft ein Innehalten, eine Pause. Wirksamer als jeder artikulierte Diskurs, als jeder theoretische Beweis bricht der sich langsam auflösende Klang mit den zuvor geäußerten Anliegen: im Rückblick macht er - jedoch ohne in aggressiver Weise zu werten, wie es die Rede täte - verständlich, wie lächerlich solcherart dringend erscheinende Wünsche sein können. Es reicht, sich von der individuellen Rolle zu lösen, die jeden von uns gefangenhält, um den Zugang zu einer anderen Dimension der Existenz zu eröffnen: einer Dimension, die nicht mehr ins Jenseits der persönlichen Ambitionen übertragen, sondern in der unmittelbaren Harmonie der Weit entdeckt wird, im vollkommenen Einklang sowohl mit den Menschen als auch mit der Natur, dem Wasser und dem Wind - wahren »Ferien« gleich, wie Konfuzius sie schätzte.
Es sich versagen, mit dem Spiel zu beginnen, oder die letzten Töne sich ins Urlhörbare vertiefen lassen: die Musik steht zwischen diesen beiden Bestrebungen, die sie beide in ihrer konkreten (künstlichen, vergänglichen) Realität

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herabmindern und zu einer idealen, da totalen Existenz aufrufen. Zwischen ihrem Zögern, sich zu ereignen, und ihrem Verlangen, wieder aufgesogen zu werden, greift die vorgetragene Melodie nur ein, um den stillschweigenden und vollkommenen Akkord, aus dem sie entsteht und in den sie zurückkehrt, spürbarer werden zu lassen. Die innere Empfindung des Musikalischen hat Vorrang (vor jeder materiellen und also äußerlichen Erzeugung). Zur Bestätigung zitiere ich ein Gedicht aus der Song-Zeit, in dem die bei-
den Haltungen von Dian und Zhaowen parallel
beschworen werden, trotz ihrer unterschiedli-
chen »taoistischen« bzw. »konfuzianischen«
Stimmlage vereint im selben Bewußtsein einer
unaussprechlichen Harmonie:

Blumen ragen rot aus der Vase Su Dongpo,
Weihrauch steigt auf in Spiralen. 11. Jahrhundert,

Weder Fragen noch Antworten, kommentiert von
Wang Shizhen,
das Ruyi achtlos am Boden. 17. Jahrhunderl
Dian ließ den Ton seiner Zither vergehen,
Zhao enthielt sich des Saitenspiels:
In alt dem ist eine Melodie, die man singen
und nach der man tanzen kann .33

Auf Anhieb situieren wenige Zeichen die Sze-
ne (der Weihrauch, die Mäeutik von Fragen und
Antworten, die in das extreme Stadium ihrer
Umkehrung und der Aufgabe aller Rede getrie-

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