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mcnep, am 13.8. 2004 um 11:36:07 Uhr
Ichwerdegernealt

Ich bin überzeugt, daß Liamara, die am heutigen Tag ihren Geburtstag begeht, im Verlauf ihrer beruflichen Karriere ungleich mehr an Büchern durch die Hände gegangen ist, als es mir in meinen Dienstjahren in einer rheinischen Krauterbuchhandlung möglich war. Doch in einem Bereich bin ich ihr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an Erfahrung voraus und das ist die Sparte der sogenannten Geschenk - oder Verschenktexte. Denn wie der Name schon sagt, sind diese zur sofortigen Weitergabe bestimmt und es würde vermutlich wenig Sinn machen, sie in einer Leihbibliothek in verschwenderischer Fülle bereitzustellen. Aber ich habe sie alle unter mir gehabt: Lucy Körner und Peter Hammer, Heyne, Herder und den Kreuzverlag, selbst vor den Grußkartenbüchlein aus dem Vetrieb der Mönche von Maria Laach war ich irgendwann nicht mehr fies. Der Suche nach Halt bei gleichzeitiger innerer Erstarrung der Käufer entsprechend, änderte sich das Erscheinungsbild dieser Reihen über die Jahre nicht wesentlich: Stets waren es leicht faßliche, affirmative Mikrotexte, die mit Illustrationen und Fotografien gekoppelt waren, welche den jeweiligen Themenschwerpunkt der Bände unterstreichen sollten. »Du bist ein Geschenk« wurde mit Bildern verschrumpelter Neugeborener gekoppelt, »Ich sehe deine Trauer« wartete mit Herbstimpressionen auf und mein persönlicher Favorit an Schrecklichkeit »Ichwerdegernealt« zeigte Bilder von verrotendem Obst, blitzgespaltenen Bäumen und sanierungsbedürftigen Altbauten. Es war ein dankbares Ressort, denn der Zimt verkaufte sich wie geschnitten Brot, doch eines Tages kam es wie es kommen mußte: Ich sollte ein Schaufenster mit diesen Büchern gestalten. Vor dieser Aufgabe habe ich mich aufgrund meines fehlenden kunsthandwerklichen eschicks stets gerne gedrück, doch da die Dekorateurin im Babyurlaub war, blieb mir keine Wahl. Ich habe mich dann auch halbwegs passabel aus der Affäre gezogen und richtete für die Bücher eine Art Stilleben aus, das aus Modelleisenbahnbäumen, Kunstblumen und einigen Handschmeichlern bestand, die ich aus unserer privaten Netsuke - Sammlung zur Verfügung stellte. Und doch kassierte ich am Schluß einen wenngleich milden Tadel meiner Herrinnen; denn ob es der schiere Mutwillen oder eine hormonelle Überreaktion aufgrund meiner frischen Welpenvaterschaft war, hatte ich zwischen 'Worte wie Sterne' und 'Weil du einmalig bist' ein Buch aus der gleichfalls unsäglichen Falken - Buchreihe gestellt, das 'Die 1000 schönsten Hundenamen' hieß.


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