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mcnep, am 16.12. 2008 um 21:25:44 Uhr
Hausstaubmilbe

»In einer Zeitschrift las ich einen Artikel über Kopfkissen. Darin stand, daß ein zwanzig Jahre altes Kopfkissen zu zehn Prozent seines Gewichts aus lebenden Milben, toten Milben und Milbenkot bestehe. Mich durchfuhr ein Grausen: Die Kopfkissen, an die ich allnächtlich mein Haupt schmiege, habe ich vor mehr als sechzehn Jahren, als ich meinen ersten eigenen Haushalt bestückte, den Beständen des Elternhauses entnommen und sie waren schon damals gewiß nicht neu. Vielleicht sind sie noch von meiner Uroma und bestehen zu fünfzig Prozent aus Milbenkot. (...) Kurz nach Weihnachten konsultierte ich zuerst das Branchenbuch und anschließend das Fachgeschäft Betten Rutz ('Lieferant königlichen Schlafs'). Die Firmen Betten-Wildner ('Naßbehandlung preiswert und gut'), Betten-Anthon ('traumhaft schlafen seit 1927'), Betten-Mier ('Wir füllen jedes Bett in ihrer Gegenwart') und Betten-Jumbo ('Parkplätze ausreichend vorhanden') hatten das Nachsehen. Die Verkäuferin riet mir zu kanadischen Federn und begründete dies mit dem schönen Satz: «Kanada hat sehr gute FedernDa mochte ich nicht lange fackeln, und es machte Spaß, daheim auf die Kissen zu deuten und auszurufen: «Diese Kissen sind mehr als frisch bezogen. Sie sind frisch gekauftAls dann die Nacht hereingebrochen war und ich erstmals meinen Kopf auf den Federn unseres dünnbesiedelten NATO-Partners installierte, kam mir ein Gedanke: Ich als Mensch sondere jede Nacht soundso viel Gramm Milbennahrung, also abgestorbene Hautzellen ab. Es kann nicht lange dauern, bis die Milben in meinem Teppich die Nachtigall trapsen hören und ihr Ränzlein schnüren. Ich schlief ein, doch nach einigen Stunden schreckte ich hoch. Es war etwas geschehen. Eine innere Stimme sagte mir was: Die erste Milbe hat in mein Kissen gekackt

Max Goldt: Die Kugeln in unseren Köpfen S. 99, 123


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