Mit 11 Jahren wurde mir bewusst, das ich schwul bin. Anlaß war ein Bericht im Westfernsehen über ein Workcamp (Freiwilligen-Arbeitscamp)in Afrika. Unter tropischer Glut schachtete eine Gruppe europäischer Freiwilliger das Fundament für ein Krankenhaus aus. Alle Jungs arbeiteten nur in kurzen Sporthosen, ihre Körper glänzten von Schweiß. In Strömen lief er über die nackten Oberkörper und tropfte im Sekundentakt von Nasen, Kinn, Brust und Armen. Vor Anstrengung bissen sie die Zähne zusammen. Man konnte sehen, wie sich die Bizeps wölbten und bleistiftstarke Venen am Bizeps, in den Armbeugen und auf den Unterarmen hervortraten. Ich war allein zuhause und saß nur in kurzer Turnhose vor dem Fernseher. Unwillkürlich griff ich mir in den Schritt und erlebte nach ca. drei Minuten meinen ersten Samenerguß.
Zu diesen Jungs, die für andere alles geben, wollte ich auch gehören. Das Mindestalter im Workcamp war 14 und ich hoffte, vergleichbares gab es auch in der DDR. Als Propagandaaktion im internationalen Jugendaustausch, mir wurde die Teilnahme aus politischen Gründen verwehrt. Kritische Umweltschützer wollte man nicht.
Aber das wusste ich noch nicht, als ich mit einem harten Lauf-und Krafttraining begann, zusammen mit einem Klassenkameraden. Er war zwar nicht schwul, aber ein guter Trainingspartner. In einem DDR-Dorf ging es ziemlich freizügig zu, viele Männer arbeiteten oben ohne in ihren Gärten und so konnten wir Schüler im Sommer ohne weiteres nur in kurzer Sporthose trainieren, beginnend mit Laufen. Es tat gut, einen guten Kameraden neben sich zu haben, der genauso schwitzte, keuchte, vor Anstrengung die Zähne zusammen biss. Nach einigen Wochen kamen wir nach 20 km klatschnass von Schweiß im Dorf an, was uns viel Anerkennung einbrachte. Von harten Durchhaltern und Zähnezusammenbeißern war die Rede. Den Kraftsport machten wir anschliessend mit schweren Steinen, sandgefüllten Eimern, Expandern und an einer Teppichklopfstange für Klimmzüge.
Als wir 14 waren und das Jugendarbeitsschutzgesetz einiges zuließ, waren wir gefragte Freiwillige für schwere Arbeiten. Oft war das Problem der Alten das Plumpsklo, worauf uns dann vor allem für das Ausschachten der Sammelgrube Wochen harter Arbeit in Turnhosen mit schweißüberströmten nackten Oberkörpern bevorstanden. Oft gingen die halben Sommerferien drauf, aber wir machten es für Andere gern. Und wir erhielten auch Hilfe von Familienangehörigen und manchmal auch von anderen Jungs. Bei letzteren war das lange freiwillige Durchhalten in der Hitze ein charakterliches Problem.
Nachdem mein Freund innerhalb von Wochen vom Blutkrebs dahingerafft wurde, heulte ich am Grab zusammen mit der Mutter wie ein Schloßhund. In diesem Moment interessierte es mich nicht, das Jungs eigendlich nicht zu weinen, sondern die Zähne zusammen zu beißen haben.
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