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mcnep schrieb am 1.12. 2008 um 23:14:37 Uhr über

hypermanie

»Du hast mich gefragt, was ich glaube« begann er.
»Ich glaube, daß die Vorschriften unserer Moral Zugeständnisse an eine Gesellschaft von Wilden sind.
Ich glaube, daß keine richtig sind.
Ein anderer Sinn schimmert dahinter. Ein Feuer, das sie umschmelzen sollte.
Das glaube ich; das ist mit mir geboren worden oder ich mit ihm
(...)
»Die Moral, die uns überliefert wurde, ist so, als ob man uns auf ein schwankendes Seil hinausschickte, das über einen Abgrund gespannt istsagte er «und uns keinen anderen Rat mitgäbe als den: Halte dich recht steif!
Ich bin, wie es scheint, ohne mein Zutun mit einer anderen Moral geboren worden.
Du hast mich gefragt, was ich glaube! Ich glaube, man kann mir tausendmal aus den geltenden Gründen beweisen, etwas sei gut oder schön, es wird mir gleichgültig bleiben, und ich werde mich einzig und allein nach dem Zeichen richten, ob mich seine Nähe steigen oder sinken macht.
Ob ich davon zum Leben geweckt werde oder nicht.
Ob bloß meine Zunge davon redet und mein Gehirn oder der strahlende Schauder in meiner Fingerspitze.
Aber ich kann auch nichts beweisen.
Und ich bin sogar davon überzeugt, daß ein Mensch, der dem nachgibt, verloren ist. Er gerät in Dämmerung. In Nebel und Quatsch. In gliederlose Langeweile.
Wenn du das Eindeutige aus unserem Leben fortnimmst, so bleibt ein Karpfenteich ohne Hecht.
Ich glaube, daß das Hundsgemeine dann sogar unser guter Geist ist, der uns schützt!
Ich glaube also nicht!
Ich glaube aber vor allem nicht an die Bindung von Bös durch Gut, die unser Kulturgemisch darstellt: das ist mir widerwärtig!
Ich glaube also und glaube nicht!
Aber ich glaube vielleicht, daß die Menschen in einiger Zeit einesteils sehr intelligent, andererseits Mystiker sein werden. Vielleicht geschieht es, daß sich unsere Moral schon heute in diese zwei Bestandteile zerlegt. Ich könnte auch sagen: In Mathematik und Mystik. In praktische Melioration und unbekanntes Abenteuer
Er war seit Jahren nicht so offen aufgeregt gewesen. Die »Vielleicht« in seiner Rede empfand er nicht, die erschienen ihm nur natürlich.

Robert Musil, MoE 769ff.


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