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Der Versuch, eine Bedrohung durch Aufmerksamkeitsabwendung in Form von Abschweifung, Flucht oder irgendwelcher Tätigkeiten
 zu begegnen, kann man als Coping (Bewältigungsmechanismus) »Ablenkung« bezeichnen.  Man kann, wenn man will, Teile des
 Konstruktiven Copings als Ablenkung auffassen, etwa wenn der Prüfling dem Bedrohungsangriff »Das schaffst Du nie« mit dem
 Argument begegnet: »Das interessiert mich jetzt nicht, ich will wissen, wie man diese prüfungsrelevanten Aufgaben löst«. Diese
 Form der Ablenkung fällt praktisch mit Konstruktivem Coping zusammen.   Immer dann, wenn Konstruktives Coping inadäquat ist,
 erscheint Ablenkung zumindest nicht als unangemessen. In aussichtslosen Situationen dürfte Ablenkung als kurzfristige Strategie
 die Methode der Wahl darstellen. Wird ein aversives Ereignis mit Sicherheit erwartet, und ergeben sich durch das aversive Ereignis
 keine weiteren Folgeprobleme, dann ist Ablenkung das optimale Coping. Ablenkung als Reaktion auf eine Bedrohung ist dann
 gefährlich, wenn die Zielrichtung der Maßnahme primär ausschließlich auf die Beseitigung von Bedrohungsgedanken gerichtet ist,
 ohne daß weitere mögliche konstruktive Ziele damit verbunden sind. Der Extremfall wäre hier chronische Verdrängung bei
 gleichzeitig möglicher Abwendung des aversiven Ereignisses (z.B. bei jeglichem Gedanken an die Prüfung ablenkende Tätigkeiten,
 dadurch bedingt mangelnde Vorbereitung, wobei ordentliche Vorbereitung die Erfolgschancen wirksam erhöhen würde). Man könnte
 hier von einer Ablenkung aus Bequemlichkeit sprechen. Verhindert Ablenkung angemessenes konstruktives Coping, so ist sie als
 inadäquat zu bezeichnen. Je mehr Ablenkung den Charakter einer Flucht annimmt, um so schwieriger und aufwendiger werden die
 Versuche sein, sie im Hinblick auf eine Prüfung effizient anzuwenden, da es sich bei Prüfungen meistens um Situationen handelt,
 bei denen erfolgreiche Flucht in der Regel nur durch noch größere Folgebedrohungen erkauft werden kann.  Aber auch Ablenkung
 als Flucht vor sich selbst führt letztlich nicht weiter. Man kann und soll die Selbstwertrelevanz einer Prüfung nicht vollständig
 verdrängen. Nur wenn der Prüfling eine gewisse Klärung darüber erarbeitet, welche Bedeutung die Prüfung für ihn hat und welche
 Konsequenzen sie im Falle des Erfolges wie Mißerfolgs nach sich zieht, welche Chancen er realistischerweise verfolgen kann, kann
 er gezielter auf die Bedrohungsgedanken reagieren, da er sich dann nicht mehr vor allem fürchten muß und viel besser differenzieren
 kann, wann er sich sinnvollerweise ablenken soll. Ablenkung wird dann begründet und nicht ziellos eingesetzt. Auf der anderen Seite
 darf die Beschäftigung mit der eigenen Person nicht überhand nehmen, weil sie sich dann auch nicht mehr ablenken kann.
 Ablenkung führt nicht unmittelbar zu einer Problemlösung, sie bietet kurzfristige Verschnaufpausen, die im Verbund mit anderen
 Maßnahmen recht sinnvoll sein können, als ausschließliches Coping für Prüfungssituationen bleibt sie jedoch meistens
 unangemessen 
 
 
 
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