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Peter K. schrieb am 2.12. 2007 um 23:26:27 Uhr über

DDR

In einem kleinen Vorörtchen von Meiningen (einem »Käffle«) wohnt ein Künstler, der mit seiner Familie mal ne kleine Kneipe aufgemacht hat. Schick gemacht - der Künstler war gelernter Kunstschmied, und konnte mit den Händen alles - war das eine Zeitlang um die Jahrtausendwende ein echter Geheimtip in dieser modrigen südthüringischen Sumpflandschaft. Nach der Eröffnung begannen sie, mit »Nationen-Abenden«. Das erste war - glaube ich - ein griechischer Abend, mit griechischen Speisen und Getränken, natürlich alles Hausgemacht, und am späteren Abend einem gemeintschaftlichen Tsaziki-Tanz, das man sich fast lindenstrassig vorkam. Danach kam der amerikanische Abend, und ein italienischer Abend, für den französischen Abend habe ich höchstselbst gekocht (11 Gänge!) - und irgendwann saßen wir dann wieder mal da, und wir überlegten den nächsten »Nationen-Abend« - die klassischen Urlaubsländer (auch die im RGW) waren fast erschöpft.

Und ich weiss wirklich nicht mehr, wer es war, der in eine minutenlange Stille hineintrötete: »Lasst uns doch ma n DDR-Abend machen- . - . - »Hurrah ! Hoch die TassenNach einer Schrecksekunde entstand regelrechte Euphorie. War hatte noch was ? Wer wußte noch wie ? Und das muß unbedingt auch noch dazu ...
Und der eigentliche »DDR-Abend« war ein Knaller. Die Kneipe war auf HO-Gaststätte getrimmt, einschließlich »Von der Sowjetunion lernen heisst - siegen lernenusw. Die Einheimischen kamen sämtlich uniformiert: NVA, Reichsbahn, Grenztruppen, FDJ, Kampfgruppe und was es da so alles gab. 1. Kostümpreis ging einstimmig an den Opa, Hauptmann der Reserve a.D., der stilecht in Breeches mit Reitstiefeln erschien (aber aus Angst eines der Achselstücke entfernt hatte). Es wurden DDR-Platten und Bänder gespielt, und Kampflieder der Arbeiterklasse gesungen. Es gab Tomatennudeln (Makkaroni mit Tomatensauce), Jägerschnitzel (Panierte Fleischwurst) und die unvermeidliche Soljanka, Kettwürste und Grillettas, Club-Cola mit Goldkrone (32 Volt), und die Stimmung brodelete von Anfang an - keinen Moment der Langeweile gab es an diesem Abend, die Witze flogen einem wie Schrotkugeln um die Ohren, es wurde getanzt, gesungen, gesoffen, gelacht und jeder erzählte so seine Stories aus dem Sozialismus. Eine derart rauschende, ausgelassene, fröhliche Party habe ich im Beitrittsgebiet weder vorher, noch nachher erlebt. Nach Mitternacht wurde zu den Phudys (Schreibweise ? Mcneeeeeep !) und Karat bei »Ficklicht« geschmusetanzt, und selbst Peter K. als einziger Wessi bekam die Zungen fast aller Frauen im geschlechtsfähigen Alter zu schmecken - es hätte nicht viel gefehlt, es wäre eine Orgie draus geworden. Ein Vulkan ist ausgebrochen an diesem Abend, ein ungeheurer Druck der »entwerten Biographien« hat sich den ganzen Raum gegriffen, von uns allen Besitz genommen.


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