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Luhmannius schrieb am 6.5. 2002 um 14:16:59 Uhr über

Pseudointellektuelle

Kann denn ein Einzelner heutzutage, in der funktional differenzierten Gesellschaft tatsächlich etwas tun, in der Hoffnung - geschweige denn von der Gewißheit - es könnte nachher »allen Menschen« besser gehen? Ein solcher Anspruch ist in meinen Augen nicht einmal utopisch.

Die moderne Gesellschaft hat kein Zentrum mehr, sie ist nicht durchschaubar, sie ist »opak«, wie Habermas das genannt hat, und die moderne Gesellschaft ist vor allen Dingen nicht mehr steuerbar und nicht plambar.

Die Politik macht die Gesetze im Rahmen der Gesetze. Die gewählten Amtsinhaber regieren, im Rahmen der Gesetze, und die Opposition opponiert, im Rahmen der Gesetze. Die Rechtswisschaft beobachtet die Rechtswissenschaft und die täglich getroffenen Rechtsentscheidungen, und wer als Person Recht sucht, muß nachweisen - im Rahmen der Gesetze -, daß er einen Anspruch auf Rechtshilfe hat: im Rahmen der Gesetze.

Die Wirtschaft wirtschaftet - auch im Rahmen der Gesetze - und jeder Einzelne, der als Arbeitnehmer, als Arbeitsloser oder als Konsument am Wirtschaftsleben teilnimmt oder teilnehmen will, hat innerhalb des Wirtschaftssystems eben immer nur die eine in diesem Teilsystem der Gesellschaft vorgesehene Möglichkeit: Zahlen oder nicht zahlen. Auf etwas anderes reagiert das Wirtschaftssystem nicht, und auf etwas anderes kann das Wirtschaftssystem auch gar nicht reagieren: im Rahmen der Gesetze.

Im Erziehungssystem, als Schüler oder als Student - wird man eben »erzogen«, denn dazu ist das Erziehungssystem ja da, dazu hat die Gesamtgesellschaft, wenn es sie denn gibt, das Erziehungssystem schließlich als ein autonomes System ausdifferenziert (im Rahmen der Gesetze).

So beobachtet jeder Beobachter in jedem System die anderen Systemteilnehmer und vor allem auch sich selber, und zwar beobachtet er genau nach den Spielregeln (Beobachtungsregeln), die in dem jeweiligen System gelten: In der Politik geht man als Wähler wählen oder nicht, und als Gewählter sitzt man in der Regierung oder in der opposition. In der Wirtschaft bietet man an oder kauft, stellt her oder verbraucht, immer abhängig davon, ob man zahlen kann oder eben nicht zahlen kann.In der Wissenschaft geht es um wahr oder unwahr, wobei niemand daran mehr Anstoß nehmen kann, daß schon morgen unwahr sein kann, was heute noch wahr gewesenist; und was man heute noch nicht weiß, kann man vielleicht morgen schon wissen. Was wahr ist, bestimmen die, die in der Wissenschaft als Wissenschaftler Wissen erzeugen, neues Wissen, anderes Wissen, anerkanntes Wissen. Und solcherart geht es zu in allen ausdifferenzierten Funktionssystemen der modernen Gesellschaft.

Im Rahmen der jeweiliegn Codes ist man als Kommunikationsteilnehmer an der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation beteiligt, so oder so, man tut, was man tun kann, und man kann dann sehen, ob es einem selber dabei besser oder schlechter geht, und man darv hoffen oder glauben, das mit dem eigenen Tun sich die Welt verbessert und es dann vielleicht diesem oder jenem Menschen ein wenig besser gehen wird. Man wird sich auch in dieser Welt zunächst um die eigene Familie Kümmertn. Adam Smith ist auch heute keineswegs widerlegt.

Wenn man es so sieht, wird man nicht unbedingt glücklicher, aber man macht sich weniger vor. Niklas Luhmann lesen (und Peter Fuchs, und Dirk Baecker, und Elena Esposito, und Marie Theres Fögen und andere Theoretiker der funktionalen, evolutionären, autupoietischen Systemtheorie, die mit den Mitteln der Beobachtung zweiten Grades arbeitet und der Kybernetik zweiten Grades der nichttrivialen Maschinen und Systeme, all diese Texte öffnen einem bedeutend mehr die Augen beim Blick aufs undurchschaubare »Ganze«, als es die von Luhmann so apostrophierten »alteuropäischen« Texte eben vermochten.


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