Rohrstock

Sog. hyperaktive Jungen werden heute medikamentös dazu gebracht, sich einigermaßen sozialverträglich zu verhalten (sofern die Pillen denn auch wirken). Früher gab's statt dessen den Rohrstock. Der hat - als rein pflanzliches Produkt - zuverlässig gewirkt und musste im Gegensatz zu den Pillen meist nicht einmal täglich eingesetzt werden. Wenn es sich nicht nur um ein »Stöckchen« handelte, zog er auch durch unsere damals üblichen Lederhosen sehr wirksam durch. Somit brachte zwar eine ordentliche Züchtigung das Hinterteil zum Glühen, wirkte aber ansonsten »abkühlend«. Das sind jedenfalls meine Erfahrungen, nicht zuletzt aus der Schule (als sich der Lehrer noch unbesorgt in's Klassenzimmer trauen konnte). Der Rohrstock war im Schrank deponiert und niemand von uns ist auch nur auf den Gedanken gekommen, das simple Schloss zu knacken um die Zuchtrute zu entferenen oder unbrauchbar zu machen (hätte ja auch nur für einen Tag was gebracht).
Dass lernschwächere Kinder - wie es Michael über seinen Vater berichtet - vom Lehrer wegen mangelhafter Leistungen geprügelt wurden, kam in unserer Klasse zum Glück nicht vor. Solche Exzesse haben nichts mehr mit »Erziehung« zu tun. Wenn ich aber damals wegen offensichtlicher Unaufmerksamkeit oder gar Stören des Unterrichts auf den Lederhosenboden gezüchtigt wurde, finde ich das auch heute noch ganz in Ordnung. Damals war es auch ganz selbstverständich, sich »befehlsgemäß« über den Tisch zu legen, der nur für diesen Zweck rechts vorn im Klassenzimmer stand.
War das so viel schlechter als die (angeblich) Hyperaktivität bremsende Chemie, deren Wirkungsspektrum zudem begrenzt ist?