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Peter K. schrieb am 16.12. 2004 um 16:46:36 Uhr über

Held

Die Säulenheiligen des Widerstands der Deutschen gegen die Nazis sind regelmässig typisch Deutsche Helden, wie aus einer Wagner-Oper herausgeschnitten: sie sind reinen Herzens und schwachen Verstandes, opererieren absolut dilletantisch und scheitern unter zum teil grotesken Umständen. Spielberg hat das Augenmerk auf den Haudegen Oscar Schindler gelegt, ich meinerseits möchte das Augenmerk auf einen Angehörigen meiner Zunft legen:

Hans Callmeyer war Jurist gewesen, und bewarb sich - ursprünglich zunächst wohl aus sehr egoistischen Motiven, nämlich der Vermeidung eines Fronteinsatzes, beim Rassenamt der SS, und wurde genommen. Sein Dezernat waren die halbblütigen Juden und deren Abkömmlinge gewesen - er war es, der in letzter Instanz über deren »Endlösung« zu entscheiden hatte, zumindest im besetzten Holland, wo Callmeyer alleinverantwortlich gewesen war.

Niemand weiss, wieviele zehntausend Menschen Hans Callmeyer in diesen Jahren mit gefälschten Stammbäumen, abenteuerlichen juristischen Argumentationen und Behördenintrigen rettete - auch nicht er selbst. Sein Wirkungskreis war so groß, daß innerhalb der SS das Wort vom »gecallmeyerten Juden« umging. Er selbst beschreibt es als schlimmsten Umstand seines Tuns, daß er immer wieder etliche hundert in die Vernichtungslager schicken mußte, um sich auf seinem Posten halten zu können.

Callmeyer's Tun war in jüdischen Widerstandskreisen bekannt. Nach Kriegsende kümmerten sich die jüdischen Organisationen sofort um ihn, der als ranghoher SS-Offizier mit dem schlimmsten zu rechnen hatte.

Er hat sein Bäumchen in dieser Gedenkstätte für den Holocaust in Jerusalem bekommen, und wurde in Israel hoch geehrt.

Nicht so in Deutschland. Irgendwann einmal kam zwar ein Nordrhein-Westphälischer Minister auf den Gedanken, daß man einem in Israel hochgeehrten Helden doch wenigstens das Bundesverdienstkreuz verleihen könnte. Callmeyer legte keinen Wert auf öffentliche Anerkennung. Er war nach dem Krieg Rechtsanwalt geworden, und verdiente recht gut. Er sagte in einem seiner wenigen Interviews, jedes Aufhebens über das, was er getan hätte, sei seine Berufstätigkeit eher abträglich ... er starb in den siebziger Jahren.

Callmeyer war ein Schreibtisch-Held, so wie Eichmann ein Schreibtisch-Mörder gewesen war. Seine Geschichte, sein Heldentum, das sich zwischen Aktendeckeln, Paragraphen, Wiedervorlagen und Zwischenverfügungen abspielte, eignet sich nicht zur Verfilmung.

Jeder Deutsche kennt die Geschichten der Weissen Rose, der Kreisauer Kreises, des 20. Juli - aber niemand kennt diesen Juristen, der den heheren Anspruch unserer Zunft, die ars boni et aequi, die Kunst des Guten und des Gerechten zu sein, verwirklicht hat wie kaum ein anderer. Seine Größe liegt nicht zuletzt darin, daß er über sein Heldentum kein Aufhebens gemacht hat. Er hat als einer der ganz wenigen das getan, was man von allen Anständigen hätte erwarten können -und er hat den Mund gehalten darüber.

Wenigstens hier kann ich ihm ein kleines Denkmal setzen.




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