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7. Digitale Poesie veräußerlicht und veranschaulicht Technologie - auch Technologien des Selbst.
 
 Das Attribut »digital«, die Definition digitaler Poesie und die Beispiele zeigen: es geht hier vor allem um die Erprobung technischer Möglichkeiten und Bedingungen unter literarischen Vorzeichen. Aber hier ist Vorsicht geboten: man verliert sich allzu leicht in der kalten Faszination an sich ständig verändernden Entwicklungen - und nicht zuletzt auch in ihrer Kompliziertheit. Ich erinnere an das Avantgardebewusstsein. Die Folge ist Technik-Positivismus, dem keine aktuelle ästhetische Ideologiekritik des Technischen entgegensteht. Das Cebit-Syndrom. 
 
 Versteht man unter Technik jedoch nicht das rein Instrumentelle, die Werkzeuge der Hard- und Software, sondern deutet es im Sinne schon des antiken Techne-Gedankens dynamisch, prozessual und symbolisch (Techne als Wirken, Schaffen und Schöpfen bzw. als Kunst), dann wird deutlich, dass sich der ästhetische Gewinn digitaler Literatur nicht auf Technologie reduzieren lässt.
 
 Interessant wird es, wenn dieses dynamisch Technische nicht nur dem Computer zugeschrieben wird, sondern auch denen, die damit umgehen, und die dabei immer auch mit sich selbst umgehen. Das meint all die Techniken, die wir hier mental und physisch einzubringen haben. Interessant wird es, wenn dies dann sozusagen kurzgeschlossen wird. Die künstlerisch mutwillige und häufig ironische, ja komische Analogiebildung von Mensch und Maschine im ästhetischen Prozess: Das gilt etwa für eine Reihe von Textgeneratoren, die vielleicht ebenso sinnvolle oder unsinnige Sätze oder Gedichte hervorbringen wie ich: das war seinerzeit schon der Ansatz in den 50ern mit automatischen Texten. Ich denke aber auch daran, dass der Betrachter oder Leser buchstäblich in den Text versetzt und sein Handeln im Datenraum ihm selbst und einem Publikum beobachtbar wird: exemplarisch in der schon legendären Legible City. Oder ich denke daran, dass das Lesen zum Kraftakt werden kann wie in der erwähnten Arbeit Fietzeks, wo ich zum Modul für anstrengenden Textaufruf degradiert werde, um mit ein paar ironisch-pornografischen Fetzen belohnt zu werden. 
 Friedrich W. Block:
 Acht poetologische Thesen zur digitalen Poesie
 http://www.le-txt.de/acht_thesen.htm
  
 
 
 
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