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Yadgar schrieb am 8.9. 2007 um 11:40:51 Uhr über

Fernweh

Wo Deutschlands grauer Himmel weicht und and're Winde weh'n... where no autobahn leads to and industrial noise is unheard...

...in solche Verse kleidete ich während vieler Jahre meine bis heute unerfüllte Sehnsucht nach der Ferne jenseits des banalen Alltagstrotts, eine Sehnsucht, die in Afghanistan als phantasmagorischem Traumziel kulminiert, aber durchaus auch andere Namen hat.

Aber auch diese anderen Namen bezeichnen regelmäßig Orte und Länder weit außerhalb Europas, ich käme nie auf die Idee, meinen Traum vom »Ganz Anderen« in, sagen wir Frankreich, Italien oder Spanien suchen zu wollen, schon gar nicht in Deutschland oder dessen unmittelbarer Nachbarschaft... die Ardennen sind nicht exotisch, und die Gewerbegebiete von Quadrath-Ichendorf schon mal gar nicht, und meine unmittelbare Wohnumgebung nehme ich nur als basswummernde, auspuffröhrende Prollhölle wahr...

Wenn ich mit dem Finger auf der Landkarte oder heißem Kopf in der Geographieabteilung der örtlichen Bibliothek durch die Welt streune, lande ich regelmäßig in Zentralasien, Indien, Iran, auch Nordafrika und die Sahara sind nicht ohne Reiz, andererseits aber auch als landschaftliches und klimatisches Kontrastprogramm der kühle Süden des Planeten, Patagonien, Feuerland, Tasmanien und Neuseeland, bis hin zu den entlegensten Inseln der Subantarktis.

In früheren Jahren, den 80ern und 90ern, ging ich in bester Alternativglobetrotter-Tradition davon aus, dass das »Ganz Andere« nur in Ländern der »Dritten Welt« erlebbar sei, überall sonst habe der amerikanisch-europäische Konsumkapitalismus zu einer derartigen Nivellierung und Banalisierung des Lebens geführt, dass das Bereisen von Wohlstandsländern reine Zeitverschwendung sei, exotisch sind nach dieser Definition nur zerlumpte Bauern, die in Lehmhütten malerisch vor sich hin hungern, langbärtig und beturbant und allein schon deshalb der radikale Gegenentwurf zum opelfahrenden flachgesichtigen Büroangestellten aus D-6440 Bebra mit eternitvollverkleidetem Eigenheim und PVC-Zwergen im Vorgarten...

Mittlerweile ist es nicht mehr in erster Linie der utopisch-moralisch-ästhetische Gegenentwurf zur westlichen Zivilisation, der mich vom Reisen als Form des Aussteigens träumen lässt, sondern mein Bedürfnis nach weiten, stillen Räumen, ohne das Gedröhn und Gewummer des großstädtischen Alltags, ohne die nervenzermürbenden Informationschaos aus dem Internet, ohne den »Daily Horror« der Nachrichten über Terrorwellen, Bürgerkriege, Turbokapitalismus und Klimakatastrophe, Orte, an denen einen nicht auf Schritt und Tritt irgendwelcher knallig bunter Zivilisationsmüll an die allgegenwärtige Globalisierung erinnert...


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