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Lawrence schrieb am 17.2. 2005 um 15:28:44 Uhr über

Wüstensand

Wir fuhren als mit den Jeeps den Bahndamm der alten Pilgerbahn entlang.
Obwohl die Schwellen und Schienen schon vor langer zeit demontiert wurden, war der eigentliche Bahndamm an sich Aufgrund des trockenen Wüstenklimas noch klar definiert und völlig unversehrt.
Auf den neben dem Bahndamm zu quadratischen Gebilden gestapelten Schwellen war der Schriftzug »Alfred Krupp, Essen 1914« zu lesen.
Deutsche Ingenieure hatten damals die Bahnlinie im Auftrag des Deutschen Kaisers gebaut. Sie war ein Geschenk an den Osmanischen Herrscher in Konstantinopel und sollte den Pilgern die Reise zu den heiligen Stätten des Islam erleichtern.
Aus Angst, Rommel könne von Nordafrika aus bis nach Arabien vorstossen und dann die Bahnlinie Strategisch nutzen, demontierten die Briten die Gleisanlagen während des 2. Weltkrieges.
Schnurgerade zog sich der Bahndamm durch die Öde.
In regelmäßigen Abständen (so wie sich das für Deutsche Ingenieure gehört) waren Bahnstationen erbaut worden.
Sie waren alle vom Aufbau her völlig identisch und leer bis auf die steinernen Mauern.
Aber sie spendeten ein wenig Schatten und wurden deshalb gerne zum Rasten angesteuert.
Wir brachte die Jeeps neben einem der Gebäude zum Stehen und bereiteten alles für ein zünftiges Wüstenpicnic vor.
Nachdem wir uns gestärkt hatten, hielten Einige von uns eine kleine Siesta, während Andere, so wie ich, die Gelegenheit zu einem kleinen Erkundungsgang nutzten.
Ich entfernte mich immer weiter und weiter vom Bahndamm, bis die Bahnstation nur noch als ein kleiner Würfel am flimmernden Horizont erschien.
Ich blieb stehen.
Stille.
Ich hatte sowas bis dahin und auch danach nie mehr erlebt.
Kein Vogel, Insekt, Auto, Flugzeug, Windgeräusch oder ähnliches.
Einfach nur Stille.
Totenstille.
Ich stand völlig bewegungslos im Wüstensand und lauschte dem Rasseln meiner Bronchien.
Dem hämmernden Pumpen meines Herzens.
Dem rauschen des Blutes in meinen Adern.
Nach einer schier endlosen Ewigkeit von vielleicht 10 Minuten hielt ich diesen Zustand nicht mehr aus und bewegte mich hastigen Schrittes zurück zur Bahnstation.
Je näher sie kam, umso schneller wurden meine Schritte, bis ich schliesslich kurz vor Erreichen des Bahndammes zu Rennen anfing.
Am Bahndamm angekommen, blieb ich stehen, um ihn dann mit erzwungener Ruhe zu überqueren.
Ich mischte mich wieder unter die Anderen und versuchte, normal zu wirken.
Ich fragte mich, ob die anderen Spaziergänger wohl Ähnliches erlebt hatten, fragte aber Niemanden von ihnen.
Kurze Zeit später stiegen wir ein und fuhren weiter.
Aber ich hatte die Stille erlebt.
Und ich möchte ihr kein zweites Mal begegnen.


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