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mcnep schrieb am 30.5. 2005 um 06:44:47 Uhr über

Juden

Die Geschichtsschreibung unserer Tage spricht von einem Altern der antiken Kultur: ich vermute, sie hat nur Gelegenheitsursachen und Beihilfen zu jener Völkerverstimmung erfaßt. Die Klärung der bedrückten Situation ging vom Judentum aus. Ungeachtet aller Annäherungen und Vorbereitungen war es ein jüdischer Mann Saulus aus Tharsus, der sich als römischer Bürger Paulus nannte, in dessen Geist zuerst die Erkenntnis durchbrach: Wir sind so unglücklich, weil wir Gottvater getötet haben. Und es ist überaus verständlich, daß er dieses Stück Wahrheit nicht anders erfassen konnte als in der wahnhaften Einkleidung der frohen Botschaft: Wir sind von aller Schuld erlöst, seitdem einer von uns sein Leben geopfert hat, um uns zu entsühnen. [...] Erbsünde und Erlösung wurden die Grundpfeiler der neuen, durch Paulus begründeten Religion. [...] Beachtenswert ist es, in welcher Weise die neue Religion sich mit der alten Ambivalenz im Vaterverhältnis auseinandersetzte. Ihr Hauptinhalt war zwar die Versöhnung mit Gottvater, die Sühne des an ihm begangenen Verbrechens aber, die andere Seite der Gefühlsbeziehung zeigte sich darin, daß der Sohn, der die Sühne auf sich genommen, selbst Gott wurde neben dem Vater und eigentlich an Stelle des Vaters. Aus einer Vaterreligion hervorgegangen, wurde das Christentum eines Sohnesreligion. Dem Verhängnis, den Vater beseitigen zu müssen, ist es nicht entgangen.

Nur ein Teil des jüdischen Volkes nahm die neue Lehre an. Jene, die sich weigerten, heißen noch heute Juden. Sie sind durch diese Scheidung noch schärfer von den anderen abgesondert als vorher. Sie mußten von der neuen Religionsgemeinschaft, die außer Juden Ägypter, Griechen, Syrer, Römer und endlich auch Germanen aufgenommen hat, den Vorwurf hören, daß sie Gott gemordet hätten.

Unverkürzt würde dieser Vorwurf lauten: Sie wollen es nicht wahr haben, daß sie Gott gemordet haben, während wir es zugeben und von dieser Schuld gereinigt worden sind. Man sieht dann leicht ein, wieviel Wahrheit hinter diesem Vorwurf steckt. Warum es den Juden unmöglich gewesen ist, den Fortschritt mitzumachen, den das Bekenntnis zum Gottesmord bei aller Entstellung enthielt, wäre Gegenstand einer besonderen Untersuchung. Sie haben damit gewissermaßen eine tragische Schuld auf sich geladen; man hat sie dafür schwer büßen lassen.

Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion, S. 174-176


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