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Dramaten, am 22.10. 2010 um 14:17:46 Uhr
Chinesen

ZWISCHENSPIEL II

Es ist das Jahr 1943. Die Szene ist wieder in schwarz-weiß. Dunkel und irgendwie trostlos. Es ist ein Balkon eines Hauses in Beverly Hills, California. Der Mann aus dem ersten Zwischenspiel steht wieder da. Sehr groß und hager und mit einer kantigen Nase. Er raucht eine Zigarette. Er sieht krank aus, der Mann, immer noch sehr einsam und traurig. Er träumt von der Heimat, die er nicht wiedersehen wird. Er ist nun 69 Jahre alt. Aber in seinen Augen spiegelt sich auch etwas Versöhnlches.

Ein Klavier spielt »Zdes' khorosho« op. 21 Nr. 7 in einer anonymen Transkription. Die ganze Szene ist auf irgendeine Weise rührend. Er weiß jetzt, dass er seinen Weg gefunden hat, auch wenn er sterben muss. Das Licht verdämmert und die Szene wird dunkel.

Die Musik wechselt. »Symphonische Tänze« op. 45 in der Fassung für zwei Klaviere. Wir sehen ein Schlafzimmer, das arm und staubig wirkt. Auf dem Bett liegt der große hagere Mann mit der kantigen Nase. Die Kamera studiert sein Geischt lange. Die Augen sind geschlossen. Er ist gestorben.

Aber in seiner Hand hat er einen zerknüllten Zettel. Eine Tür in der Wand geht auf und ein Polizist kommt herein. Das alles ist nach wie vor in schwarz-weiß. Der Polizist hat nur ein Hosenbein. Er öffnet die Hand des Toten und nimmt den Zettel heraus. Dann zieht er sich aus dem Zimmer zurück.

In einem dunklen Nebenraum öffnet er den Zettel mit einer Taschenlampe in der Hand. Auf dem Zettel in Großaufnahme steht:

Ну, что a...

»Es ist russich«, sagt der Polizist, obwohl er allein ist. Aber er muss ja laut denken, sonst versteht es das Publikum nicht, was vor sich geht. Er zieht ein Wörterbuch aus der Hand und sagt laut: "Aha, hier steht es:

'Na, was ist denn das...'"

Das also sind die letzten Worte des Verstorbenen, sein letzter Wille also. Er hat die Zeile gefunden, die ihm in seiner letzten Komposition noch gefehlt hat.

А вот полиция, а что это такое a...

»Da kommt die Polizei, na was ist denn das...«,
denkt der Polizist laut. Und zuckt zusammen,
Natürlich. Das war ja die Frage, die sie am Tatort vergessen hatten. Natürlich. Der Polizeipräsident hat es gewusst. Er, Ernst Kuzorra, ist also der Hauptverdächtige. Mein Gott...

Der Polizist ist ganz bleich wegen dieser Erkenntnis. Man erkennt es nur sehr schwer, weil es ja schwarz-weiß ist. Dann blendet das Licht langsam ab und der Schirm wird dunkel.

Folgen Sie demnächst der spannenden Fortsetzung in »Die drei Chinesen. Folge VII«. Guten Abend, gute Nacht.



ABSPANN:

Sergei Vassiljevitsch Rachmaninov ... as himself
Zweiter Polizist ... Polizist ohne Hosenbein

Musik:

S.V. Rachmaninov ... Zdes' khorosho op. 21 Nr. 7,
Symphonische Tänze op. 45 Nr. 3

Licht und Ton ... Schwarz-weiß

Drehort ... Beverly Hills, California

Amerikanisch-russisch-deutsche Co-Produktion aus den Jahren 1917, 1848, 1077 und 1943

im Auftrag des ZDF


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